Synode der evangelischen Kirche im Rheinland

Zwischen Erneuerung und Abbau

Pfarrer bleibt zweifellos der Schlüsselberuf in der evangelischen Kirche. Doch wie viele Theologen sind künftig noch bezahlbar? Wie viele junge Leute können in die Pfarrhäuser nachrücken? Was geschieht mit jenen, für die kein Platz mehr ist - und wie werden sie ausgewählt? Die Antworten auf diese Fragen sind umstritten. Die rheinische Landeskirche, mit 2,9 Millionen Protestanten zwischen Niederrhein und Saar die zweitgrößte in Deutschland, diskutiert sie kommende Woche intensiv auf ihrer Landessynode in Bad Neuenahr.

 (DR)

Das Problem ist schon länger klar: Es gibt nur knapp 2.000 Pfarrstellen, aber fast 2.500 Theologen. Die Aussicht auf weniger Mitglieder und weniger Geld zwingt zudem dazu, die Pfarrstellen-Zahl bis 2030 praktisch zu halbieren. Mit bitteren Entscheidungen wurden in den vergangenen zwei Jahren bereits die Weichen für einen Ausweg aus dem Dilemma gestellt: Der sogenannte Sonderdienst läuft aus, der "Wartestand" wird abgebaut, die Stellenzahl für Nachwuchskräfte begrenzt und jedes Jahr neu festgelegt.

Dreißig Stellen sollen es im Jahr 2008 sein: Zehn Vikare kommen demnach in den Probedienst und 20 der rund 300 anstellungsfähigen Theologen werden in den Pfarrdienst übernommen - zunächst "mit besonderem Auftrag" (mbA). Die Auswahl wird erstmals in einem zentralen Bewerbungsverfahren getroffen, bis zu vier Bewerbungen sind möglich. Mit jeder Pfarrstelle auf Lebenszeit geht die rheinische Kirche Verpflichtungen von rund drei Millionen Euro ein.

Nach Studium, Vikariat und Probedienst keine Perspektive mehr
Der Rheinische Konvent, die Vertretung des theologischen Nachwuchses, lobt das Vorhaben als Beginn einer dringend benötigten Personalplanung. Er hält die Zahlen aber für viel zu gering. Wenn nur 30 junge Theologen pro Jahr übernommen würden, "verpasst die Kirche die Gelegenheit, für die Zukunft des Pfarrdienstes mittel- und langfristig vorzusorgen", kritisiert die Vereinigung, die über Proteste am Rande der Synode nachdenkt.

Viele fähige Pfarrer hätten nach Studium, Vikariat und Probedienst keine Perspektive mehr im Rheinland. Sie müssten sich außerhalb der Kirche eine Existenz aufbauen oder in die Schweiz, nach Frankreich oder in die USA auswandern. Manche hoffen auch auf eine Öffnung der landeskirchlichen Grenzen innerhalb der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).

120 Pfarrer "im Wartestand"
Härter trifft es einen Teil der rund 120 Pfarrer "im Wartestand" - sie kommen zum Beispiel aus Elternzeit, Funktionspfarrstellen oder dem Ausland. Die meisten von ihnen müssen demnächst ihre Eignung erneut nachweisen. In einer Prüfung soll theologisches Wissen ebenso abgefragt und bewertet werden wie Team- und Kommunikationsfähigkeit oder Belastbarkeit. Wer besteht, erhält eine befristete mbA-Stelle und kann auf eine normale Pfarrstelle hoffen.

Wer jedoch im zentralen Auswahlverfahren scheitert, wird nach drei Jahren in den vorzeitigen Ruhestand versetzt - Prognosen zufolge jeder Dritte. Dies trifft auf entschiedenen Widerstand des rheinischen Pfarrvereins. Nach zwei bestandenen Examina und der Ordination verstoße eine erneute Prüfung gegen das geltende Pfarrdienstgesetz der Union Evangelischer Kirchen (UEK), heißt es in einem Brief des Pfarrvereins-Vorsitzenden Friedhelm Maurer an die Mitglieder der Landessynode. Die rheinische Kirche, Mitglied der UEK, greife "rechtswidrig in bestehende öffentlich-rechtliche Pfarrdienstverhältnisse auf Lebenszeit ein".

"Ich kann was bewegen im Reich Gottes"
Auch Hartmut Benz ist sauer. Zwanzig Jahre lang habe er gezeigt, dass er als Pfarrer seine Arbeit tun könne, sagt der Seelsorger aus dem oberbergischen Wiehl. "Ich kann was bewegen im Reich Gottes." Trotz seiner Berufung auf Lebenszeit werde nun plötzlich ein "drittes Examen" von ihm verlangt. Sollte er im Auswahlverfahren scheitern, stünde er im Alter von 50 Jahren als Ruheständler mit gekürzter Pension da. "Und wer will jemanden mit 50 noch haben in der Wirtschaft oder im Schuldienst?" fragt der Vater von fünf Kindern, der erwägt, notfalls einen Anwalt einzuschalten.

Maurer reklamiert auch eine Fürsorgepflicht für betroffene Pfarrer. Anders als Angestellte, die mit den Konkurrenzbedingungen des Marktes und der Bedrohung durch Arbeitslosigkeit leben müssten, hätten sich Theologen nach siebenjährigen Studium und anschließendem Vikariat auf ein lebenslanges Dienst- und Treueverhältnis eingestellt. Wie viele dies künftig noch tun, ist offen. Rund 160 Theologie-Studierende gibt es im Rheinland derzeit. Mitte der 80er Jahre waren es noch mehr als zehnmal so viele.

Von Ingo Lehnick (epd)