Startschuss in Iowa: Vorwahlen zur Präsidentschaftsnachfolge beginnen

Kampf um das Weiße Haus

In Iowa beginnen heute mit Wählerversammlungen die Vorwahlen für die US-Präsidentschaftsnachfolge. Iowa sei eine Art "Testlabor für die ganze Nation" sagt USA-Experte Andrew Denison, Direktor von Transatlantic Networks im domradio-Interview. "Die Kandidaten gehen hier wirklich fast von Tür zu Tür - mit so wenigen Einwohnern hat man die Gelegenheit fast jedem die Hand zu schütteln." Der Ausgang der Abstimmung ist ungewiss, da die Abstände zwischen den Bewerbern gering sind.

 (DR)

Bei den Demokraten werden sich letzten Umfragen zufolge Barack Obama und Hillary Clinton ein Kopf-an-Kopf-Rennen liefern. Ein ebenfalls knappes Rennen steht den republikanischen Anwärtern Mitt Romney und Mike Huckabee bevor. Die Entscheidung in Iowa gilt als besonders bedeutsam. Wer dort gewinnt, steht auf den Titelseiten aller grossen Zeitungen und ist in aller Munde.

"Absolut repräsentativ für die Vereinigten Staaten ist Iowa nicht", erklärt Andrew Denison. Dennoch seien die Ergebnisse der Vorwahlen in dem kleinen US-Bundesstaat wichtig für den weiteren Verlauf des Wahlkampfs und ein Zeichen für die Fähigkeiten der Kandidaten im nationalen Wettbewerb. Nach Expertenmeinungen könne sich insbesondere für die Demokraten durch einen Sieg Hilary Clintons bei den Vorwahlen "die Schlacht entscheiden", so Denison weiter.

Glaube als "Ausweis moralischer Kompetenz"
Spätestens während der vom Sender CNN und dem Videoportal YouTube gemeinsam ausgerichteten TV-Debatte der acht konservativen Kandidaten wurde deutlich, welch tragende Rolle die Religion in diesem Wahlkampf spielt.
In der Sendung, in der Zuschauer die Männer per Videoclip befragen durften, hielt ein junger Mann eine Bibel in die Kamera und fragte in die Runde, ob sie jedes Wort in diesem Buch glaubten. Statt etwa zu antworten, dass der persönliche Glaube Privatsache sei, mühten sich die Politiker mit ihren Antworten.

Vor allem die drei Frontrunner der Rechten Rudy Giuliani, Mitt Romney und Mike Huckabee versuchten, auf dem schmalen Grat zwischen Bibeltreue und Modernität zu balancieren. Schließlich geht es für sie vor allem darum, rund 40 Millionen christlich-konservative Bürger für sich zu gewinnen. Sie gelten als die republikanische Basis - und spätestens seit George W. Bushs Wahlsiegen 2000 und 2004 als Präsidentenmacher.

Die verfassungsgemäß korrekte Antwort eines US-Politikers wäre gewesen, die Frage zurückzuweisen - denn die Verfassung verbietet die religiöse Gewissensprüfung für den Staatsdienst. Doch keiner hätte gewagt, sich in diesem Moment auf die laizistischen Grundfesten der USA zu berufen. Längst ist es, vor allem für republikanische Politiker, Ausweis einer moralischen Kompetenz und Festigkeit, wenn Staatsmänner ihre Werte aus dem eigenen Glauben ziehen können.

Mit dieser Grundidee erklärte sich kürzlich der Ex-Gouverneur von Massachusetts Mitt Romney. Als Mormone stößt er auf das Misstrauen bestimmter christlicher Wählergruppen: Rund 30 Prozent der republikanischen Wähler gaben laut Umfragen an, nicht für eine Mormonen stimmen zu wollen. Wie einst Kennedy, der als Katholik gegen Vorurteile gegenüber seinem Glauben ankämpfen musste, fühlte sich auch Romney genötigt, in einer Rede seine Glaubensprinzipien darzulegen.

Unter "verschärfter religiöser Beobachtung"
Der Ex-Reverend und Baptist Mike Huckabee, republikanischer Shooting-Star der Wahlsaison, punktet mit offenen Angriffen gegen seinen mormonischen Konkurrenten. Mit zufällig erscheinenden - und falschen - Behauptungen, so etwa, Mormonen glaubten, dass Satan der Bruder Jesu sei, versucht er offenbar, Romney auf religiösem Terrain zu diskreditieren. Huckabee, der selbst Theologie studierte, müsste es besser wissen - doch sein Kalkül scheint aufzugehen. Seinen Fans gilt er als neuer Typus des freundlichen, smarten Evangelikalen.

New Yorks Ex-Bürgermeister, der Katholik Rudy Giuliani, gilt als fähiger Organisator und Law-an-Order-Mann. Monatelang führte er das republikanische Bewerberfeld an. Nun hat ihn Huckabee überholt. Ein Traumkandidat der republikanischen Basis konnte Giuliani trotz guter Umfragewerte nie werden: Kein anderer kann mit einer für amerikanische Verhältnisse so langen Liste von Tabubrüchen aufwarten. Sein Privatleben gilt Christlich-Konservativen als ein unverzeihliches Chaos.

Giuliani, Kind italienischer Katholiken aus Brooklyn, verließ Ehefrau Nr. Zwei für Ehefrau Nr. Drei - ohne die Ehe kirchlich annullieren zu lassen. Nach seiner Trennung wohnte Giuliani bei einem homosexuellen Paar auf der Upper East Side. Seine beiden Kinder aus erster Ehe haben sich von ihm abgewandt - ja gaben sogar an, für jemand anderen als ihren Vater stimmen zu wollen. Der geht schon lange nicht mehr regelmäßig in die Kirche und spendete in den 90er Jahren für Organisationen, die ein Recht auf Abtreibung befürworten.

Auch die führende Bewerberin bei den Demokraten, Ex-First-Lady Hillary Clinton, steht unter verschärfter religiöser Beobachtung.
Wo sie nur kann, betont sie ihre methodistische Kindheit und Jugend. Bereitwillig gibt sie Auskunft, wie ihr Glaube ihr geholfen habe, die Ehekrise nach dem Seitensprung ihres Ehemanns Bill 1998 durchzustehen. Ihr Hauptkonkurrent, Senator Barack Obama, bemüht in seinen Reden oft religiöse Sprache. Er erklärt, "eine persönliche Beziehung zu Jesus Christus zu haben". Ein Grund dafür dürfte freilich auch sein: Laut Washingtoner Pew Research Center können sich 63 Prozent der US-Bürger nicht vorstellen, für jemand zu stimmen, der nicht an Gott glaubt.