Forscher kritisieren Umgang mit der Studie

Debatte um Muslim-Studie

Jeder vierte junge Islam-Gläubige in Deutschland soll nach einer Studie zu Gewalt gegen Andersgläubige bereit sein. Die "Frankfurter Rundschau", berichtete vorab, die von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble in Auftrag gegebene Arbeit habe unter anderem ergeben, dass die Religion in der muslimischen Bevölkerung eine enorme Bedeutung hat. Verbände und Forscher kritisieren Umgang mit der Studie.

 (DR)

Die Studie ordne 40 Prozent der Muslime als fundamental orientiert ein, schrieb das Blatt. Sie hätten klare religiöse Orientierungsmuster und Moralvorstellungen. Eine kleine Gruppe von sechs Prozent werde als "gewaltaffin" eingestuft. Immerhin 14 Prozent der Befragten, von denen knapp 40 Prozent einen deutschen Pass hatten, stünden mit der Rechtsstaatlichkeit auf Kriegsfuß und zeigten eine problematische Distanz zur Demokratie. Zwölf Prozent der Muslime in Deutschland identifizierten sich mit einer stark religiös-moralischen Kritik an westlichen Gesellschaften, kombiniert mit der Befürwortung von Körperstrafen bis hin zur Todesstrafe. Minister Schäuble sehe darin ein "ernstzunehmendes islamistisches Radikalisierungspotenzial".

Der Kultur- und Sozialanthropologe Werner Schiffauer wies in der Zeitung darauf hin, dass die Hamburger Studie auch zu dem Schluss komme, dass demokratiefeindliche Einstellungen bei Muslimen und Deutschen etwa gleich verteilt seien. "Daraus lässt sich nicht schließen, dass der Islam Demokratiefeindlichkeit stärker fördert", sage er.

Verbände und Forscher kritisieren Umgang mit Muslim-Studie
Der Koordinierungsrat der Muslime (KRM) hat einen "behutsamen und nicht einseitigen Umgang" mit den Ergebnissen der Studie "Muslime in Deutschland gefordert. "Die Einstellung von jungen Muslimen zu Demokratie und Rechtsstaat unterscheidet sich nicht signifikant von Nichtmuslimen", sagte KRM-Sprecher Bekir Alboga am Donnerstag in Köln. Kritik an der öffentlichen Reaktion auf die Studie kam auch vom Essener Zentrum für Türkeistudien (ZfT). "Hier wird eine oberflächliche Lesart der Forschungsergebnisse dazu genutzt, anti-muslimische Stimmung zu machen", so ZfT-Direktor Faruk Sen.

Aus der am Dienstag in Berlin vorgelegten Studie lasse sich nicht schließen, dass der Islam Demokratiefeindlichkeit fördere, so Alboga. "Wir sind weiterhin vom Gegenteil überzeugt. Das richtige Verständnis vom Islam macht den Muslim gegenüber Extremismus immun." Es fördere und stärke das Vertrauen in eine demokratische Gesellschaft. Sen warnte vor einer pauschalen Verurteilung einer ganzen Bevölkerungsgruppe. Auch die Forscher hätten darauf hingewiesen, dass jene 40 Prozent der Befragten, die den Islam für dem Westen überlegen hielten, keineswegs gleichzusetzen seien mit den wenigen, die Demokratie ablehnten und gewaltbereit seien.

Im Presseecho über die Studie würden Zusammenhänge zwischen der Einstellung von Muslimen gegenüber der deutschen Gesellschaft und sozialen Aspekten wie mangelnde Bildung, geringes Einkommen oder Ausgrenzungserfahrungen nahezu ausgeblendet, kritisierte Alboga.

Leider zeige auch die Studie nicht auf, wie man mit Muslimen und ihren Verbänden gemeinsam gegen Extremismus und Radikalisierungstendenzen vorgehen könne. Der KRM-Sprecher forderte mehr Forschung und gesellschaftliche Investitionen in den hohen Anteil unter den Muslimen, der die Demokratie bejahe.