Merkel und Tusk vereinbaren "Gesprächskontakt" - Berliner Kardinal lobt Entwicklung

Keine Tabuthemen

Deutschland und Polen wollen sich beim geplanten "sichtbaren Zeichen" zur Erinnerung an die Vertreibungen um eine Verständigung bemühen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der neue polnische Ministerpräsident Donald Tusk bekräftigten am Dienstag nach einem Treffen im Berliner Kanzleramt auch bei anderen strittigen Themen ihre Entschlossenheit zu einer guten und vertrauensvollen Zusammenarbeit. Der Berliner Kardinal Georg Sterzinsky hat das Treffen gelobt.

Autor/in:
Helmut Stoltenberg
 (DR)

Man werde in freundschaftlicher Weise die Probleme besprechen, die beide Länder bewegen, sagte die Kanzlerin. Dabei wollten Tusk und sie "um kein Problem einen Bogen machen". Tusk sagte, es dürfe zwischen beiden Seiten keine Tabuthemen geben. Auch wenn man nicht alle Positionen teile, dürfe es bei Freunden nicht dazu kommen, dass sie nicht miteinander sprächen.

Zum Streit um das "sichtbare Zeichen" sagte Merkel, das Projekt solle von deutscher Seite näher erläutert werden. Dazu werde sie eine Delegation benennen, die die deutschen Pläne in Warschau darlegen werde. Ob man hier zu einer Lösung komme, lasse sich heute noch nicht sagen, doch werde es "auf jeden Fall erst einmal einen Gesprächskontakt geben".

Merkel versicherte, dass das Projekt nicht Ursache und Folgen des Zweiten Weltkrieges "in irgendeiner Weise" relativieren wolle. Der von Tusk vertretene Vorschlag eines "Museums des Zweiten Weltkriegs" sei eine "interessante Idee", aber keine Alternative zu dem "sichtbaren Zeichen".

Tusk wandte sich gegen eine Mitarbeit der Präsidentin des Bundes der Vertriebenen, Erika Steinbach, in den entsprechenden Gremien. An Versöhnungsprojekten sollten Personen beteiligt werden, die Vertrauen wecken könnten.

Zur gleichfalls umstrittenen Frage der geplanten Ostsee-Pipeline von Russland nach Deutschland sagte Merkel, sie habe mit Tusk vereinbart, dass die Wirtschaftsminister beider Länder zunächst einmal miteinander die "ökonomischen Betrachtungen austauschen". Für jedes Land müsse klar sein, wo dabei die wirtschaftlichen Vor- und Nachteile lägen. Tusk schloss nicht aus, dass man dazu komme, die Frage der Gas-Pipeline auch unter Einbeziehung Russlands zu erörtern.

Merkel kündigte zudem an, dass es bereits in naher Zukunft zu deutsch-polnischen Regierungskonsultationen kommen werde. Einen neuen Anstoß solle zudem die Arbeit des deutsch-polnischen Jugendwerkes sowie der deutsch-polnischen Wissenschaftsstiftung erfahren. Tusk zufolge soll das deutsch-polnische Jugendwerk auch finanziell gestärkt werden.

Sterzinsky lobt Gespräche zwischen Merkel und Tusk
Der Berliner Kardinal Georg Sterzinsky hat das Treffen zwischen Merkel und Tusk gelobt. Er freue sich, dass auf höchster Ebene wieder über Einrichtungen gesprochen werde, die an das Schicksal der Vertriebenen erinnerten, sagte Sterzinsky der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) am Mittwoch.

Sterzinsky hob hervor, ein solches Zentrum müsse vom Gedanken der Versöhnung geprägt sein. Es dürfe nicht nur ein Ort der Erinnerung und der Trauer sein, wie es der BdV fordere. Die katholische Kirche trete für Versöhnung mit jenen ein, die heute in den früheren deutschen Gebieten lebten.

Sterzinsky stammt aus dem heute polnischen Teil Ostpreußens und wurde 1945 mit seiner Familie vertrieben. Als Standort eines Zentrums gegen Vertreibungen war vor zwei Jahren auch die im Krieg teilzerstörte katholische Sankt-Michaelskirche in Berlin-Mitte im Gespräch. Sterzinsky hatte die Verhandlungen mit dem BdV aber beendet, weil es über das Zentrum noch keinen gesellschaftlichen Konsens gebe.