Heftiger Gegenwind für CDU-Parteispitze in Stammzelldebatte

Rechnung ohne den Wirt gemacht?

Die CDU-Spitze bekommt beim Thema Stammzellforschung kräftigen Gegenwind aus der des eigenen Fraktion im Bundestag. Am Dienstag wandte sich eine deutliche Mehrheit der Redner bei einer Aussprache gegen eine Verschiebung des Stichtags für den Import embryonaler Stammzellen und damit gegen eine Lockerung des Stammzellgesetzes. Katholische Kirche und Grüne hatten in den vergangenen Tagen heftige Kritik an einem Parteitagsbeschluss der "Christdemokraten" geübt.

 (DR)

Anders als beim Bundesparteitag gab es bei der Aussprache der Fraktion keine förmliche Abstimmung. Der Parteitag in Hannover hatte sich mit knapper Mehrheit gegen ein Festhalten am bisherigen Stichtag entschieden.

Mehrere Abgeordnete sagten auf Anfrage, gut zwei Drittel der etwa 20 Wortmeldungen in der Fraktion hätten sich gegen eine freizügigere Regelung ausgesprochen. Auch Fraktionschef Volker Kauder (CDU) habe sich vehement gegen eine Lockerung gewandt und vor einer Verzweckung von Embryonen gewarnt.
Fraktionsgeschäftsführer Norbert Röttgen wollte im Vorfeld ausdrücklich nicht von einer Spaltung der Fraktion in dieser Frage sprechen.

Antrag auf völliges Importverbot möglich
Der Bioethik-Experte der Unionsfraktion, Hubert Hüppe, hatte zuvor die Haltung von Parteichefin Angela Merkel in der Frage deutlich kritisiert. Der "Kölner Stadt-Anzeiger" berichtete über erheblichen Widerstand gegen eine Liberalisierung des Stammzellgesetzes innerhalb der nordrhein-westfälischen CDU-Landesgruppe im Bundestag. Nach einem Bericht der "Rheinischen Post" wollen Lebensschützer in der Unionsfraktion nun möglicherweise sogar einen Antrag auf ein völliges Importverbot embryonaler Stammzellen in den Bundestag einbringen.

Nach dem geltenden Stammzellgesetz dürfen nur solche menschlichen embryonalen Stammzellen nach Deutschland importiert werden, die vor dem Stichtag 1. Januar 2002 gewonnen wurden. Damit soll verhindert werden, dass ein Anreiz zur Vernichtung weiterer menschlicher Embryonen entsteht. Merkel und Forschungsministerin Annette Schavan hatten beim Parteitag in Hannover für eine einmalige Verschiebung dieses Stichtags geworben. Schavan äußerte sich entsprechend auch in der Fraktionssitzung. Merkel folgte zwar der Aussprache, ergriff aber diesmal nicht das Wort.

"Keine einheitliche Kritik der Kirche"
Wie es hieß, wurde in mehreren Beiträgen die Haltung von Vertretern der katholischen Kirche angeführt; manche Redner hätten deren Ton als zu scharf kritisiert. Mehrere Kardinäle und Bischöfe werteten den Parteitagsbeschluss von Hannover als Schritt zur Aufweichung des Embryonenschutzes. Dazu sagte Röttgen, er sehe keine einheitliche Kritik "der katholischen Kirche". Wenn es "ein, zwei Positionen" gegeben habe, sei dies nicht "die katholische Kirche".

Richtig sei, dass die katholische Kirche in dieser Frage eine entschiedenere und auch konsequentere Position vertrete, so Röttgen. Nötig sei aber auch Respekt gegenüber anderen möglichen Positionen innerhalb und außerhalb der Kirchen. Hüppe äußerte Verständnis für die massive Kritik der katholischen Bischöfe. Der Lebensschutz müsse zum Kernbereich der Union gehören. Dieses Feld dürfe man nicht an die Grünen verlieren.

"Volleinstieg in verbrauchende Embryonenforschung"
Unterdessen übte die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth heftige Kritik am CDU-Parteitagsbeschluss. Im Interview mit dem TV-Sender "Phoenix" sagte sie: "Ich vertrete in dieser Position tatsächlich die Auffassung, die auch Kardinal Lehmann vertreten hat. Hier geht es im Kern wirklich um den Schutz der Menschenwürde." Die CDU vollziehe einen "Volleinstieg in die verbrauchende Embryonenforschung". Das passe überhaupt nicht zu dem "penetrant vorgetragenen C im Namen der CDU".

Auch die Fraktionsvize der Grünen Priska Hinz unterstrich in der "Tagespost", sie plädiere mit der großen Mehrheit der bündnisgrünen Abgeordneten für eine Beibehaltung des Stichtags.
"Die ethisch fragwürdige embryonale Stammzellforschung kann unter den geltenden deutschen Regelungen ausreichend Grundlagenforschung betreiben", sagte sie. Die Grünen wollten den Schwerpunkt auf die adulte Stammzellforschung legen. Eine Verschiebung des Stichtages sei nicht nötig.

Auch Linksfraktion lehnt Stammzellgesetz-Lockerung überwiegend ab
Die Mehrheit der Bundestags-Linksfraktion will nach Informationen der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) eine Lockerung des geltenden Stammzellgesetzes ablehnen. Bei einer Trendabstimmung in der Fraktion habe sich am Dienstag eine deutliche Mehrheit gegen eine einmalige Verschiebung des Stichtags sowie einen kompletten Wegfall der Stichtagsregelung ausgesprochen, hieß es am Mittwoch in der Fraktion. Favorisiert werde ein Votum für eine Beibehaltung des geltenden Gesetzes oder eine Stimmenthaltung.