Deutsche Kommission wird 40 - domradio-Interview mit Bischof Marx

"Ich hänge sehr an Justitia et Pax"

Mit der Enzyklika "Populorum Progressio" hatte Papst Paul VI. 1967 Entwicklung als den "neuen Namen für Frieden" bezeichnet. Noch im selben Jahr entstand in Deutschland die Kommission "Justitia et Pax". In Bad Honnef wurde nun das 40-jährige Bestehen gefeiert. Gemeinsam mit der dem Vorsitzenden von "Justitia et Pax", Bischof Reinhard Marx, und der Politikwissenschaftlerin Barbara Krause blickt domradio zurück.

 (DR)

Im domradio-Interview mit domradio-Chefredakteuer Ingo Brüggenjürgen würdigt der vergangene Woche zum neuen Münchner Erzbischof ernannte Reinhard Marx die Verdienste von "Justitia et Pax". In den vergangenen Jahrzehnten sei es gelungen, alle Aktiven der Katholischen Kirche in den Bereichen Frieden, Entwicklung und Menschenrechte an einen "runden Tisch" gebracht zu haben.

"Natürlich", sagt Marx, könne "Justitia et Pax" nicht die Arbeit einer Hilfsorganisation wie Misereor leisten. Man habe aber in der Vergangenheit Innovatives wie das Thema Mikro-Kredite in Gang gebracht.

"Ob ich alle Dinge weiterführen kann, weiß ich noch nicht"
Manchmal erscheine die Arbeit von "Justitia et Pax" wenig publikumswirksam, so Marx. "Aber ich glaube schon, dass wir etwas bewegen. Zwar erst langfristig - dafür aber nachhaltig. Wäre das anders, wäre ich schon lange nicht mehr dabei."

Marx auf die Frage, ob er auch als Erzbischof von München und Freising das Amt des Vorsitzenden fortführt: "Ob ich alle Dinge weiterführen kann, weiß ich noch nicht." Aber: "Ich hänge sehr an der Arbeit."

Barbara Krause im domradio-Interview
"'Justitia et Pax' hat der Kirche in Deutschland geholfen und hilft noch immer, Fragen des Friedens, der Gerechtigkeit und Menschlichkeit anzugehen - nicht nur mit dem heißen Herzen, sondern auch mit scharf denkendem Verstand. Das was die Katholische Kirche in Deutschland von Justitia et Pax hat ist eine Erfolgsgeschichte", so Barbara Krause, Sachverständige für entwicklungspolitische Fragen bei "Justitia et Pax".

Als weniger erfolgreich: erachtet Krause, dass "zu viele Fragen zu wenig im öffentlichen Bewusstsein verankert" worden seien. Zum Beispiel treffe "Justitia et Pax" in der Gesellschaft auf Grenzen, wenn es um den Unterschied zwischen langfristigem und kurzfristigem Interesse gehe. "Kurzfristig: ist es den Menschen wichtig, billig einzukaufen und die schnelle Mark zu machen." Langfristig könne das aber nicht von Interesse sein.

Enzyklika "Populorum Progressio"
Die Deutsche Kommission Justitia et Pax (Gerechtigkeit und Frieden) ist ein "Runder Tisch" der katholischen Einrichtungen und Organisationen, die im Bereich der internationalen Verantwortung der Kirche in Deutschland tätig sind. Ihr gehören mehrere Bischöfe, Vertreter des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), leitende Mitarbeiter der Deutschen Bischofkonferenz und des Katholischen Büros, aus den Hilfswerken und von katholischen Organisationen sowie schließlich Experten für internationale Politik an. Träger von Justitia et Pax sind die Deutsche Bischofskonferenz und das ZdK.

Die Kommission war 1967 als Antwort auf die Enzyklika "Populorum Progressio" von Papst Paul VI. gegründet worden. Das Papstschreiben hatte die weltweite soziale Ungleichheit scharf kritisiert und von den Industriestaaten Solidarität und soziale Gerechtigkeit eingefordert. Zahlreiche katholische Bischofskonferenzen gründeten daraufhin Justitia-et-Pax-Kommissionen, die mittlerweile weltweit zusammenarbeiten.

Mit einem Kongress und einem anschließenden Festakt wurde am 6. und 7. Dezember 2007 im Katholisch-Sozialen Institut in Bad Honnef die vierzigjährige Arbeit der Deutschen Kommission Justitia et Pax gewürdigt.

Gesine Schwan beklagt Vorurteile gegenüber Islam
Zum Auftakt am Donnerstag hatten Politikwissenschaftler und Kirchenvertreter die Europäer zu größerer Sensibilität im Dialog mit anderen Kulturen aufgerufen. Die Koordinatorin der Bundesregierung für die Zusammenarbeit mit Polen, Gesine Schwan, sagte, sie sei immer wieder entsetzt, wie groß die Vorurteile auch bei gesellschaftlichen Eliten gegenüber dem Islam und seiner angeblichen Unfähigkeit zur Demokratie seien. Der Beitrag des Islam zur kulturellen Entwicklung Europas werde gerne übersehen.

Nach den Worten des Bremer Politikwissenschaftlers Dieter Senghaas ist vieles, was heute etwa als "asiatische Werte" oder als rückständig islamisch kritisiert werde, auch in Europa lange Allgemeingut gewesen. Der Friedensforscher verwies darauf, dass sich die katholische Kirche bei der Anerkennung von Religionsfreiheit und Menschenrechten oder der kritischen Bibelinterpretation bis ins 20. Jahrhundert hinein sehr schwer getan habe. "Die Geschichte wiederholt sich mehr, als uns in unserer schnelllebigen Zeit bewusst ist."

Senghaas verwies darauf, dass Europa insbesondere im 17. und 18. Jahrhundert ähnlich dramatische Modernisierungsschübe und Umbrüche erlitten habe wie viele Gesellschaften in Osteuropa, Asien und Afrika heute. Grundrechte und Werte wie Gleichheit vor dem Gesetz, Toleranz oder Gleichberechtigung der Geschlechter seien teilweise erst in jahrhundertelangen Konflikten entwickelt worden. Die außereuropäischen Kulturen brauchten Zeit und Handlungsspielräume, um eigene Wege in die Moderne zu entwickeln.

Der in Indonesien lehrende Jesuit und Philosoph Franz Magnis-Suseno diagnostizierte eine "Angstpsychose" der Deutschen und des Westens vor den Muslimen. Es sei für ihn völlig unverständlich, wie das muslimische Kopftuch in Europa zu einem Symbol für die angestrebte Dominanz des Islam habe werden können.