Kinderschutzbund und Mediziner sehen Kindeswohl gefährdet - Kritik Weihbischof Losinger vom Nationalen Ethikrat

"Kein Recht auf ein Kind"

Die Schwangerschaft einer 64-jährigen Frau aus Aschaffenburg nach einer Eizellenspende stößt sowohl bei Medizinern und dem Kinderschutzbund als auch bei der katholischen Kirche auf Ablehnung. Der Augsburger Weihbischof Dr. Anton Losinger ist Mitglied des Nationalen Ehtikrates und erläutert im domradio-Interview, warum die Katholische Kirche den Aschaffenburger Fall kritisch sieht - auch wenn das nun geborene Kind ein Geschenk Gottes ist und allen Schutz verdient.

 (DR)

Man müsse sich mit einem Kinderwunsch in ein "vernünftiges Gefüge eingliedern", so Losinger. Denn die Verpflichtungen und Verantwortlichkeiten von Familie und Elternschaft begännen erst dann, wenn die Zuwendung zu diesem Kind notwendig sei. Es ginge  hier um mehr als nur um Genmaterial, welches von einem Vater und einer Mutter auf ein Kind überginge. Wichtig sei, so Losinger, "das Zusammenleben, die Familie, das Dasein für ein Kind auf eine lange unüberschaubare Strecke".

Es läge hier ein "klassischer Fall für die Grenzen der Biomedizin" vor. Die Konsequenzen dieser medizinischen Handlung müssten bedacht werden, bis hin zur kommerziellen Nutzung von Eispenden der Frau, die medizinisch nicht unproblematisch sei. Sie setze die Frauen in der Dritten  Welt unter Druck. Auch die künstliche Befruchtung sei ethisch nicht unproblematisch, da in der Regel mehr Embryonen erzeugt würden, als schließlich in die Gebärmutter der Frau eingesetzt würden.

Losinger sieht allerdings auf gesetzlicher Ebene keine Chancen, solche Altersschwangerschaften zu unterbinden. Die ethischen Probleme würden sich internationalisieren und seien dann nicht mehr zu kontrollieren. Statt auf das Gesetzt baue er vielmehr auf das "ärztliche Ethos" und das Verantwortungsbewusstsein der Eltern.

Hoffnung auf Einzelfall
Die Bundesgeschäftsführerin des Kinderschutzbundes, Paula Honkanen-Schoberth, sagte am Montag, sie hoffe, dass der Aschaffenburger Fall ein Einzelfall bleiben wird. "Wir warnen ausdrücklich davor, dass alles gemacht wird, was medizintechnisch möglich ist", sagte sie. Gerade zum Wohl des Kindes müsse sehr genau geprüft werden, wann es sinnvoll sei, der "Natur ins Handwerk zu pfuschen". Ähnliche Kritik kam vom Bundesverband Reproduktionsmedizinischer Zentren (BRZ) Deutschlands und der bayerischen Familienministerin Christa Stewens (CSU).

Honkanen-Schoberth warnte davor, dass der individuelle Wunsch nach Glück zur "selbstverständlichen medizinischen Aufgabe" werde. Im vorliegenden Fall sei die Mutter fast 80 Jahre alt, wenn ihre Tochter in die Pubertät komme. Bei einem derart "außerhalb der Norm" liegenden Fall komme auf das Kind auch wegen möglicher Hänseleien eine "unglaubliche Herausforderung" zu. Honkanen-Schoberth sprach aber auch von einer "sehr großen Herausforderung" für die Eltern. Sie hätten sich dem Druck ausgesetzt, geistig und körperlich mit der Entwicklung ihrer Tochter mitzuhalten.

Mediziner gegen Käuflichkeit von Eizellen
Im Zusammenhang mit der Schwangerschaft einer 64-Jährigen aus Aschaffenburg tritt auch der Augsburger Transplantationsmediziner Eckhard Nagel, der Mitglied im Nationalen Ethikrat ist, für ein Verbot des Handels mit Eizellen ein. Er sei für ein striktes Verbot der Käuflichkeit von Eizellen. Es dürfe kein Geschäft mit der Not von Menschen gemacht werden, sagte er der "Augsburger Allgemeinen". Er halte es nur unter speziellen Bedingungen für angebracht, Eizellen zu spenden.

Der BRZ-Vorsitzende Hilland schloss sich der Kritik an. Eine Schwangerschaft in diesem Alter sei nicht im Sinne des Kindeswohls. Ein Kind sollte die Möglichkeit haben, das Erwachsenenalter mit Begleitung seiner Eltern zu erreichen.

Die bayrische Familienministerin, Christa Stewens (CSU), sagte, es sei für Kinder schwierig, mit ganz alten Eltern aufzuwachsen. "Ich möchte das moralisch nicht bewerten, aber die Natur hat sich schon was dabei gedacht, dass man ab einem bestimmten Alter keine Kinder mehr kriegen kann", argumentierte die CSU-Politikerin. Junge Eltern gäben den Kindern mehr Bewegungsraum. Außerdem bräuchten Kinder Eltern und Großeltern. Vor diesem Hintergrund halte sie es auch für richtig, dass das Spenden von Eizellen in Deutschland verboten sei.

BRZ-Vorsitzende Hilland dagegen plädierte dafür, neben der Samen- auch die Eizellenspende in Deutschland zuzulassen. Hierfür müssten eindeutige Rahmenbedingungen geschaffen werden. Dazu gehöre dann auch, dass die so gezeugten Kinder etwas über ihre Abstammung erfahren können.

Die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Reproduktionsbiologie des Menschen, Ines Hoppe, rechnet in absehbarer Zeit nicht mit einer Gesetzesänderung des Embryonenschutzgesetzes. Frauen müssten weiterhin ins Ausland fahren, um eine Eizellenspende zu erhalten. Wie viele Frauen diese Möglichkeit nutzten, sei schwer zu schätzen. Ihr zufolge werben Kliniken etwa in Rumänien, Russland oder Spanien um deutsche Patientinnen. "Wenn eine Frau in solch extremem Alter ein Baby bekommt, kann sich kaum eine stabile Mutter-Kind-Beziehung aufbauen", warnte Hoppe.

Dieser Darstellung widersprach Martina Flath vom Bundesverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen. "Durch ältere Eltern ist nicht zwangsläufig eine Fehlentwicklung des Kindes vorprogrammiert", sagte sie. "Schließlich gibt es bereits viele alte Väter in Deutschland. Falls die Umgebung das Kind nicht ständig aufzieht, kann es sich gut entwickeln."

Am Donnerstag hatte eine 64-jährige Frau in der privaten Frauenklinik Aschaffenburg per Kaiserschnitt eine gesunde Tochter zur Welt gebracht. Dem behandelnden Frauenarzt zufolge hatte die Frau im Ausland eine Eizellenspende erhalten. Die Eizellen stammten von einer 25-Jährigen. Diese Zellen wurden dann mit den Spermien ihres 64-jährigen Ehemannes befruchtet...