Die Frauenrechtlerin Alice Schwarzer wird 65

Beschimpft und gefeiert

"Es ist ein Mädchen," schrieb der Großvater nach der Geburt von Alice Schwarzer für seine Frau auf einen Zettel und legte ihn auf den Küchentisch. Grund zum Feiern gab es nicht. Die Mutter war unverheiratet, der Vater unbekannt.

Alice Schwarzer (dpa)
Alice Schwarzer / ( dpa )

Dieses Mädchen, das im Kriegswinter 1942 geboren wurde und das keiner so richtig brauchen konnte, wurde als Erwachsene zur Vorkämpferin für die Rechte der Frauen. Heute wird Alice Schwarzer 65 Jahre alt. Es waren die Jahre der selbstständigen Frauen, in denen Alice Schwarzer aufwuchs, und es war der sanfte Großvater, der sich überwiegend um das Kind kümmerte. "Ich komme aus einer Familie, wo es sich nie aufgedrängt hat, dass die Frauen die geborenen guten Mütter sind und die Männer die Monster," sagt sie. Mit 21 Jahren traf Alice Schwarzer die Entscheidung, Journalistin zu werden. Nach einem Jahr Sprachstudium in Paris trat sie bei den "Düsseldorfer Nachrichten" in der Lokalredaktion Neuss 1966 ihre Ausbildung an. Nach einem kurzen Ausflug zu einem großformatigen Hochglanzblatt landete sie schließlich als Reporterin bei der Satirezeitschrift "Pardon".

1969 kehrte Alice Schwarzer als Korrespondentin verschiedener Zeitungen nach Paris zurück und kam dort in Kontakt mit französischen Feministinnen. 1971 bereitete sie die Aufsehen erregende Kampagne gegen das Abtreibungsverbot mit vor: 343 Frauen gestanden im "Nouvel Observateur" ihren Schwangerschaftsabbruch. Für den "Stern", der die Kampagne "Wir haben abgetrieben" für Deutschland übernahm, trommelte Schwarzer 374 Frauen zusammen, unter ihnen Romy Schneider, Senta Berger, Sabine Sinjen und Carola Stern. Die Reaktionen reichten von Dankbarkeit für den Tabubruch bis zu wüsten Beschimpfungen.

Der § 218 und Schwarzers "Durchbruch"
Zurück in Deutschland sorgte Schwarzer für einen weiteren Skandal, als ihr Beitrag über den § 218 für das ARD-Magazin Panorama auf Betreiben der Intendanten nicht ausgestrahlt wurde. Das Jahr 1975 machte Alice Schwarzer endgültig zu Deutschlands prominentester Frauenrechtlerin. Im September erschien "Der kleine Unterschied" mit 14 ausführlichen Frauenportraits und wurde zum Bestseller. Dass die "Bild"-Zeitung sie zur "bösen Hexe" mit dem "stechenden Blick durch die große Brille" erklärte, gehört zu den harmloseren Verunglimpfungen.

Der finanzielle Erfolg des Buches brachte Alice Schwarzer das Geld, sich den Traum von einem professionell gemachten Magazin für Frauen zu erfüllen. Am 26. Januar 1977 erschien die erste Ausgabe von "Emma", bis heute europaweit das einzige politische Frauenmagazin.

Für Alice Schwarzer folgten arbeitsreiche Jahre, in denen sie immer wieder neue Projekte vorantrieb. So auch im Juni 1978, als sie mit Inge Meysel und anderen den Stern seiner "sexistischen" Titelbilder wegen verklagte. Antrieb gab ihr etwas, was sie seit ihrer Pubertät irritierte: "Frauen wurden anders behandelt als Männer. Das war ich nicht gewohnt in meiner Familie - und das wollte ich nicht hinnehmen in der Welt."

Der Kampf gegen die Pornografie
1979 begann sie, auf die Frauenfeindlichkeit im fundamentalistisch gewordenen Iran aufmerksam zu machen. 1987 initiierte sie eine Kampagne gegen Pornografie, in deren Rahmen sie 1994 sexistische Folterszenen in den Fotografien von Helmut Newton anprangerte. Unermüdlich setzt sie sich ein und sorgt dafür, dass sie und ihre Themen in der öffentlichen Aufmerksamkeit bleiben. Als Journalistin mit ihrer klaren Argumentation - wie zuletzt im Buch "Die Antwort", in dem sie aktuelle gesellschaftliche und feministische Standpunkte formuliert. Aber auch als anerkannte Institution, die sie mittlerweile ist.

Ihre neue Salonfähigkeit nutzt sie, um im Fernsehen mit Beckmann, Gottschalk und Co. über Frauenrechte, Islamismuskritik und andere Herzensthemen zu plaudern oder auch mal einen flotten Rock'n'Roll aufs Parkett zu legen. Nicht zuletzt deshalb scheiden sich an Alice Schwarzer die Geister.

Probleme bereitet sie Männern, die eine laut sich zu Wort meldende Frau nicht ertragen, und Frauen, die in der Geborgenheit der Tradition ihre Zuflucht suchen. Darüber hinaus brüskiert sie aber auch diejenigen, die die Ernsthaftigkeit ihrer Ansichten durch die durchgehende Ernsthaftigkeit der Person belegt haben möchten. Dabei hat sie, all ihren Widersachern und allen Widersprüchen zum Trotz schlüssig belegt, "dass eine Frau auch unbequem sein kann, dann zwar nicht immer dafür geliebt, aber auch nicht gleich geköpft wird".

Von Ulrike Krickau (epd)