EKD legt Band zu Protestantismus und europäische Kultur vor

Annäherungen an Europa

Wenn sich die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) in die Politik einmischt, gibt es dafür festgelegte Formen. Denkschriften, Kundgebungen von Synoden, Texte zu einzelnen Themen sowie Vorträge sind dafür die üblichen Wege. Bei dem eher "weichen" Thema Kultur geht die EKD auch neue Wege. So wurde mit der Theologin und Literaturwissenschaftlerin Petra Bahr erstmals eine EKD-Kulturbeauftragte berufen. Damit will die evangelische Kirche die kulturelle Präsenz des Protestantismus ausbauen.

 (DR)

Ein weiterer Schritt in diesem Prozess ist die am Freitag in Berlin präsentierte Reihe "Protestantismus und Kultur", zu deren Herausgeberkreis neben Bahr auch der Staatsrechtler und Autor Bernhard Schlink gehört. Mit dieser Publikationsreihe soll die Begegnung von Kirche und Kultur gefördert werden und eine konstruktive Diskussion über kulturpolitische sowie ästhetisch-religiöse Fragestellungen forciert werden. Im Mittelpunkt des ersten Bandes "Protestantismus und europäische Kultur" stehen Annäherungen an Europa. Weitere Bände zu den Themen Dichtung und Architektur sind geplant.

Im ersten Band spüren acht Autoren in ihren Beiträgen der Frage nach, was die Seele Europas ausmacht und die Wurzeln des europäischen Projektes sind. Ohne allzu viel EU-Rhetorik, von der ohnehin in den Niederungen von Brüsseler Richtlinien, Verordnungen und Mitentscheidungsverfahren wenig zu spüren ist, werden Innen- und Außensichten, Spannungen und Gemeinsamkeiten ausgelotet. "Gibt es trotz konkreter politischer Konflikte und seit Jahrhunderten verwurzelter unterschiedlicher nationaler und kultureller Traditionen so etwas wie eine gemeinsame politische Kultur in Europa?" - dieser Frage geht etwa die Katholikin Gesine Schwan, Präsidentin der Europa-Universität Viadrina, nach.

Irena Lipowicz, bis 2006 Sonderbeauftragte für die deutsch-polnischen Beziehungen, erörtert, welche Rolle protestantische Religion und Kultur historisch und aktuell in ihrer katholischen Heimat spielen. Zur Sprache kommen auch die Schwierigkeiten, in der Präambel des gescheiterten Verfassungsvertrags der EU einen Gottesbezug zu verankern. Es fehlt auch nicht das Plastikwort von der europäischen Identität. "Europa versteht sich als Einheit in der Vielfalt, ja, als Einheit durch Vielfalt", meint der Historiker Jörn Rüsen.

Der EKD-Ratsvorsitzende Wolfgang Huber stellt in seinem Beitrag Reflexionen über den sperrigen Begriff des christlichen Abendlandes an und verweist auf die ambivalente Entwicklung: "Auf der einen Seite beobachten wir gerade in der Mitte Europas einen noch keineswegs abgeschlossenen Prozess der Entkirchlichung, der häufig als Ausdruck einer allgemeinen Säkularisierung gedeutet wird; auf der anderen Seite zeigt sich in vielen Teilen der Erde eine Zuwendung zur Religion, die man eher als Merkmal einer Desäkularisierung deuten könnte." Die generelle These von einer unumkehrbaren Säkularisierung werde diesem Befund nicht gerecht, folgert der Berliner Bischof. Den
99 deutschen EU-Abgeordneten wurde der Sammelband schon mal zugeleitet.

Von Rainer Clos (epd)