domradio-Korrespondent Ulrich Sahm zum Friedensvertrag

"Annapolis war zu unverbindlich"

Der Tag von Annapolis ist vorüber. Er hinterlässt ein zwiespältiges Gefühl. Präsident Bush, Ministerpräsident Olmert und Präsident Abbas hielten große Reden und einigten sich auf eine Friedenslösung bis 2008. Doch wie viel ist dieser Vertrag wert? "Nicht viel", sagt Nahost-Korrespondent Ulrich Sahm im domradio-Interview. Ein katholischer Geistlicher sieht nun Israel in der Pflicht.

 (DR)

domradio-Korrespondent: Neu ist die Einbindung der USA
domradio-Korrespondent Ulrich Sahm kritisiert vor allem, dass die Friedenserklärung zu unverbindlich sei. "Darin steht wortwörtlich: Israel und die Palästinenser wollen sich bemühen - aber wenn sie es nicht schaffen, haben sie auch keinen Vertrag und keine Absprachen gebrochen."

Das einzig neue Ergebnis der Konferenz sei die Erklärung der USA, als eine Art "Schiedsrichter" in den kommenden Jahren fungieren zu wollen. "Die Amerikaner waren eigentlich seit Jahren im Nahen Osten nicht mehr präsent." Sie seien die einzigen, die als Schiedsrichter in Frage kämen, so Sahm.

"Erfolg von Annapolis hängt von Israel ab"
Ein Erfolg der Annapolis-Konferenz hängt nach den Worten des Lateinischen Patriarchen von Jerusalem, Michel Sabbah, entscheidend am "israelischen Friedenswillen". In einem Interview des Pressedienstes der Italienischen Bischofskonferenz SIR am Mittwoch erklärte Sabbah, die Palästinenser seien "bereit zum Frieden". In einigen Fragen könne die palästinensische Seite jedoch keine Zugeständnisse mehr machen.

Als Beispiele für unaufgebbare Forderungen nannte der katholische Patriarch Ostjerusalem als palästinensische Hauptstadt und die territoriale Einheit Palästinas. Ein künftiger Palästinenserstaat müsse "ungeteilt sein und nicht wie heute zerschnitten von der Mauer, von Checkpoints und Stacheldrähten".

Die israelische Gesellschaft sei in der Frage des Friedensprozesses gespalten, sagte Sabbah. Besonders junge Israelis wollten ein Ende des Konflikts. Es hänge viel von der Fähigkeit der israelischen Regierung ab, die Opposition davon zu überzeugen, dass "der Friede viel bedeutet und es besser ist, in Sicherheit zu leben", so das katholische Oberhaupt im Heiligen Land.

Kurienkardinal fordert Rückkehrrecht für Palästinenser
Der vatikanische Menschenrechtsbeauftragte Kardinal Renato Martino forderte ein Rückkehrrecht für die palästinensischen Flüchtlinge. Dies gelte für die Palästinenser "ebenso wie für alle anderen Flüchtlinge", sagte Martino am Mittwoch vor Journalisten im Vatikan. Die Konferenz von Annapolis sei ein ermutigender erster Schritt; es dürfe aber nicht bei bloßen Versprechungen bleiben, so der Präsident des päpstlichen Menschenrechts-Rates "Justitia et Pax".

Martino forderte, dem Friedenstreffen müssten im kommenden Jahr konkrete Entscheidungen folgen. Dabei müsse man alle Facetten des Nahost-Problems berücksichtigen, auch des der Flüchtlinge.