Nahost wichtigstes Thema päpstlicher Diplomatie

Vatikan-Delegation verhandelt in Annapolis

Die Einladung zu den Nahost-Friedensgesprächen in Annapolis kam für den Vatikan überraschend. Seit Jahrzehnten steht die Region ganz oben auf der politischen Prioritätenliste des Heiligen Stuhls. Aber weder bei der Madrider Friedenskonferenz 1991 noch bei anderen internationalen Initiativen wurden die Diplomaten des Papstes hinzugezogen. Dass US-Präsident George W. Bush jetzt eine Delegation des Heiligen Stuhls eingeladen hat, wertet man in Rom als Vertrauensbeweis - und als Indiz, dass der Vatikan als internationaler Faktor respektiert und geschätzt wird. Leiter der Delegation ist der stellvertretende Außenminister des Vatikan, Pietro Parolin.

 (DR)

Kurz vor Beginn der Nahost-Konferenz in Annapolis/USA hat Präsident George W. Bush an den Friedenswillen der Beteiligten appelliert. Alle Seiten müssten ihre Anstrengungen verdoppeln, um den Traum vom Frieden Wirklichkeit werden zu lassen, erklärte Bush. Er fühle sich persönlich verpflichtet, dass eine Zwei-Staaten-Lösung erreicht werde, die Israelis und Palästinensern ein friedliches Zusammenleben ermögliche.

Nahost - ganz oben auf der Tagesordnung
Für Benedikt XVI. wie schon für seinen Vorgänger Johannes Paul II. sind das Heilige Land, die dortigen Christen, die Heiligen Stätten und grundsätzlich der blutige Dauerkonflikt zwischen Israelis und Palästinensern Gegenstand vieler Erklärungen und Initiativen. Bei Papst-Audienzen steht die Region regelmäßig ganz oben auf der Tagesordnung. Ob mit Bush im vergangenen Juni, mit dem Briten Tony Blair, mit Bundeskanzlerin Angela Merkel oder mit UN-Generalsekretär Ban Ki Moon: Immer wieder versuchte der Papst den Blick der Mächtigen auf den israelisch-palästinensischen Konflikt, auf die Lage im Libanon, auf den Irak und vor allem die dortigen Christen zu richten.

Auch aus der Region selbst suchten in letzter Zeit auffallend viele Vertreter den Kontakt mit Rom: Israels Präsident Schimon Peres und Palästinenser-Chef Mahmud Abbas, der syrische Vizepräsident Faruk el Scharaa und erst vor wenigen Tagen der saudische König Abdallah. Schließlich enthielt auch die Kardinalserhebung des Chaldäischen Patriarchen Emmanuel III.
Delly aus Bagdad am Wochenende ein klares politisches Signal.

Dabei geht der Vatikan davon aus, dass eine gerechte Friedenslösung des Dauerkonflikts nicht durch einseitige Maßnahmen, sondern nur im Dialog gefunden werden kann. Israelis und Palästinenser müssten an den Verhandlungstisch zurückkehren - mit Assistenz der internationalen Gemeinschaft. Das Ziel: Zwei Staaten, die gleiche Souveränität und gleiche Sicherheit genießen, die Lösung des Flüchtlingsproblems, und ein international garantiertes Statut für die Heilige Stadt Jerusalem.

Verhandlungen mit Israel schwierig
Diese Linie wird die Vatikan-Delegation sicher auch in Annapolis vertreten. Allerdings sind die Kontakte zu den Hauptkontrahenten derzeit nicht ganz einfach. Der Grundlagenvertrag zwischen dem Vatikan und Israel von 1993 - die Basis für den Botschafteraustausch im darauffolgenden Jahr - wurde bislang von Israel nicht ratifiziert. Auch die Verhandlungen über die dort angekündigten Wirtschaftsvereinbarungen schleppen sich seit zehn Jahren ergebnislos dahin. Allerdings haben israelische Stellen für Mitte Dezember neue Kompromissvorschläge angekündigt.

Zudem machen der Kirche des Heiligen Landes die israelischen Visa-Bestimmungen für Geistliche aus arabischen Ländern ernsthaft zu schaffen. Hier ist entgegen manchen Zusagen noch keine Lösung absehbar. Auf der anderen Seite gibt es ebenfalls Probleme: Aus dem palästinensischen Bereich wurde in letzter Zeit wiederholt von Übergriffen auf Christen und gegen Kirchengebäude berichtet.
Zudem unterhalten der Vatikan und die PLO bislang nur Arbeitskontakte. Keine leichten Voraussetzungen: Aber Bush setzt offenbar auf das älteste diplomatische Gesandtschaftswesen - und auf die Autorität des Papstes.