Grünen-Führung ruft zum Parteitag zur Geschlossenheit auf - Antje Vollmer im domradio-Interview

"Jetzt. Für Morgen"

Die Grünen sind am Freitag in Nürnberg zu einem dreitägigen Bundesparteitag unter dem Motto "Jetzt. Für Morgen." zusammen gekommen. Die Parteiführung wirbt um Zustimmung für eine umfassende Grundsicherung für Bedürftige, eine Mindestlohnregelung und Erhöhung der Hartz IV-Sätze. Doch bei allen Themen gibt es auch Gegenströmungen. Im Vorfeld des Parteitages gab die Theologin und "grünes Urgestein" Antje Vollmer im domradio Auskunft über strittige Fragen und über das diffizile Verhältnis der Partei zur Kirche.

 (DR)

Kurz vor Beginn des Grünen-Parteitags wirbt die Parteiführung um Zustimmung für eine umfassende Grundsicherung für Bedürftige. Ihre Partei verabschiede sich nicht in die Utopie, sondern stelle die Frage nach der Gerechtigkeit in der Gesellschaft, sagte Grünen-Chefin Roth am Freitagmorgen. Grünen-Fraktionsvize Jürgen Trittin zeigte sich zuversichtlich, dass der Antrag für eine Grundsicherung eine "anständige" Mehrheit finden wird. Der Parteilinke Robert Zion plädierte hingegen für ein Grundeinkommen. Nach der Wahlniederlage auf dem Afghanistan-Parteitag warnte Fraktionschefin Renate Künast die Delegierten vor einer erneuten Schlappe für die Grünen-Führung.

Roth betonte, es sei die Aufgabe des Staates, Hilfsbedürftige zu unterstützen und Gemeingüter wie Bildung und Pflege bereitzustellen. Derzeit seien die "Hartz-IV"-Regelsätze viel zu niedrig. Bei dieser Frage stehe die Basis nicht gegen die Führungsebene. Roth plädierte zudem für eine Mindestlohnregelung anstatt von Kombilöhnen.

In Nürnberg sollte am Freitag um 16.00 Uhr die 27. Bundesdelegiertenkonferenz der Grünen beginnen. Neben der Zukunft der sozialen Sicherungssysteme diskutieren die rund 800 Delegierten unter dem Motto "Jetzt. Für Morgen" bis Sonntag auch über den Klimaschutz und die Bürgerrechtspolitik. Roth erwartete lebhafte Diskussionen. Grünen-Parteitage seien immer streitbar, sehr engagiert und sehr leidenschaftlich, sagte sie.

Künast zeigte sich "guten Mutes", dass sich das Modell der Grundsicherung durchsetzen wird. "Eine Niederlage für die Parteiführung schwächt die Grünen insgesamt", warnte sie. Die Delegierten würden aber "ihr Mütchen nicht an der falschen Stelle kühlen".

Auch Trittin wandte sich gegen das Modell eines Grundeinkommens. Dieses sei ohne langwierige Reformen des Steuersystems nicht umzusetzen. "Die Menschen, die arm sind, die in materiell beengten Verhältnissen leben, haben auch eine Würde, die es auch vonseiten des Staates zu achten gilt", sagte er. Deswegen sei das Modell einer bedarfssichernden Grundsicherung im Augenblick die richtige Antwort.

Zion forderte hingegen, das Grundeinkommen zum zentralen inhaltlichen Projekt seiner Partei zu machen. "Es geht darum, ob die Grünen von einem Ein-Generationen-Projekt zu einem Mehr-Generationen-Projekt werden", sagte Zion. Er warf der Bundestagsfraktion vor, derzeit das "Regieren nur um des Regierens willen" anzustreben. "Der Parteivorstand ist relativ nah an der Basis. Das Problem ist das Machtzentrum in der Fraktion", sagte Zion.

Der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer forderte seine Partei auf, "schleunigst" per Urabstimmung über die Spitzenkandidatur zu entscheiden. Kandidaten seien die beiden Partei- und Fraktionsvorsitzenden sowie Trittin. Eine Doppelspitze riet er wegen "einer zugespitzten Wahlkampfsituation" als "nicht ideal" ab. Palmer warb für 2009 erneut für ein schwarz-grünes Bündnis. Roth betonte hingegen, die SPD sei den Grünen nach wie vor näher als die Union.