Diskussion über deutsches Stammzellgesetz geht weiter - Katholischer Moraltheologe fordert Denkpause

Durchbruch in der Stammzellforschung

Nach Berichten über einen Durchbruch in der Stammzellforschung geht die Debatte über eine Liberalisierung des deutschen Stammzellgesetzes unverändert weiter. Während die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) die neuen Forschungsergebnisse als weiteres Argument für eine erleichterte Einfuhr von menschlichen embryonalen Stammzellen ansieht, hält der CDU-Europaabgeordnete Peter Liese eine Liberalisierung des Gesetzes jetzt gerade für unnötig. Der Freiburger katholische Moraltheologe Eberhard Schockenhoff sprach sich für eine Denkpause bei der Nutzung von importierten embryonalen Stammzellen aus.

 (DR)

Zwei wissenschaftliche Fachzeitschriften hatten am Dienstag berichtet, dass Forscher erstmals embryonale Stammzellen durch das Umprogrammieren normaler menschlicher Hautzellen erzeugt haben. Sollten sich die Ergebnisse bestätigen, könnten embryonale Stammzellen ohne Klonen und die Zerstörung von Embryonen produziert werden. Bislang dürfen deutsche Wissenschaftler nur mit im Ausland hergestellten embryonalen Stammzellen arbeiten, die vor dem 1. Januar 2002 hergestellt wurden.

Die DFG erklärte am Mittwoch in Bonn, die neuen, durch "Reprogrammierung" gewonnenen Stammzellen müssten nun erprobt werden. Pressesprecherin Eva-Maria Streier sagte der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA), bei vorausgegangenen Tierversuchen habe sich eine hohe Rate von 20 Prozent Tumorerkrankungen ergeben. Deshalb würden die bereits gewonnenen embryonalen Stammzelllinien als Vergleichsobjekte benötigt. Daher müsse auch Deutschland neue Stammzelllinien einführen dürfen. Die DFG hatte sich in den vergangenen Monaten mehrfach für die Abschaffung der Stichtagsregelung ausgesprochen. Bundesforschungsministerin Annette Schavan (CDU) hatte am Dienstag für eine Verschiebung der Stichtagsregelung plädiert.

Liese hingegen bezeichnete die Meldungen über die Umprogrammierung von Hautzellen zu Stammzellen als einen weiteren Grund, das Stammzellgesetz in Deutschland nicht zu lockern. Der Bioethik-Experte der christdemokratisch-konservativen EVP-Fraktion erklärte in Brüssel, die Forschungsergebnisse hätten zwar noch keine unmittelbaren Auswirkungen für die Behandlung von Erkrankungen. Aber dies gelte auch für die Forschung mit embryonalen Stammzellen.

Schockenhoff will Denkpause
Der Freiburger katholische Moraltheologe Eberhard Schockenhoff begrüßte den Durchbruch bei der Stammzellforschung. Die Möglichkeit, Hautzellen in eine Art embryonaler Stammzellen zurückzuprogrammieren, zeige, dass das Potenzial der adulten Stammzellen erheblich größer sei, als viele deutsche Forscher bislang angenommen hätten, sagte der katholische Theologe am Mittwoch der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Freiburg. Er sprach sich für eine Denkpause bei der Nutzung von importierten embryonalen Stammzellen aus.

Schockenhoff, der Mitglied des Nationalen Ethikrats war, appellierte an die Wissenschaft, sie solle die Strategie aufgeben, durch erhöhten Druck auf die Politik auf eine Verschiebung des Stichtags beim Stammzellenimport hinzuwirken.
Auch stehe diese Forderung im Widerspruch zur bisherigen Argumentation, die Reprogrammierung körpereigenen Zellen ließe sich nur mit embryonalen Stammzellen erforschen.

Nach Einschätzung des katholischen Theologen sprechen nicht nur prinzipielle ethische Bedenken, sondern auch naturwissenschaftliche Argumente dafür, stärker auf adulte Stammzellforschung zu setzen. Es sei daher zu begrüßen, dass das Bundesforschungsministerium die Forschung an adulten Stammzelllinien noch stärker mit öffentlichen Geldern unterstützen wolle, um den Forschungsstandort Deutschland in diesem Bereich auszubauen.