Der Codex Aureus ist nach 25 Jahren wieder öffentlich zu sehen

Der mittelalterliche Bibel-Comic

Es ist nur ein Exponat, dafür aber wohl das teuerste, das im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg lagert: Der "Codex Aureus", jenes Goldene Evangelienbuch von Echternach, ist deutlich mehr als 30 Millionen Euro wert, wie Generaldirektor Ulrich Großmann schätzt, wahrscheinlich unbezahlbar. Nach 25 Jahren haben die Macher das als Leihgabe "am meisten angefragteste und abgelehnteste Objekt" wieder aus dem Tresor geholt.

 (DR)

Eine Art "mittelalterlicher Comic", der die Evangelien darstelle, seien die Zeichnungen zum Leben Jesu, sagt Ausstellungskuratorin Anja Grebe. Wie in einem "begehbaren Buch" können die Besucher der Ausstellung das Leben Jesu so abschreiten, wie es in der Handschrift in Wort und Bild dargestellt ist. An den Wänden sind dazu Faksimile der jeweiligen Seiten angebracht. Denn der Codex selbst wurde nicht wie vor 25 Jahren auseinandergenommen - aus konservatorischen Gründen, um das Pergament nicht zu schädigen.
Stattdessen blättert Buch-Restaurator Frank Heydecke einmal in der Woche beim Original um.

Ein ganzes Jahr lang nahmen die Experten des Nationalmuseums das Buch vor der Präsentation unter die Lupe - unterstützt von Wissenschaftlern der Fachhochschule Köln. Technisch aufwendig durchleuchteten sie die Handschrift auf Veränderungen und analysierten Farben, etwa das ausschließlich für Herrscher reservierte Purpur, kostbarer Stoff aus dem Schleim einer Schnecke.

Maler ließen Zeichnungen "altern"
Acht Maler waren es wohl, die den "Codex Aureus" gestalteten, sagt Kuratorin Grebe. Jeder habe seine eigene Handschrift gehabt. Gleichzeitig habe es immer wieder Übermalungen gegeben, meist bei den Gesichtern. "Man kann hier von einem richtigen Facelifting sprechen", so Grebe. Ein Beispiel ist der thronende Christus auf der ersten Seite. Wer genau hinsieht, entdeckt vier Augen. Zwei ältere Punkte, die wie Tränen wirken, und jene neuen - gemalt vom "Langnasen-Maler". Die Ausprägung der Riechorgane der von ihm gemalten Figuren bewog die Experten zu diesem Namen.

Bei der Untersuchung des Buches sei man auch der Atmosphäre in der Schreibstube des Klosters Echternach nähergekommen, sagt Buch-Restaurator Heydecke. "Hatten die Maler etwa manchmal schlechte Laune?" Ein Pinselstrich wird nicht sauber ausgeführt. Oder eine Übermalung nicht ganz genau fertiggestellt, wie etwa beim thronenden Christus. Bei einem der vier Jesus umgebenden Propheten erfolgte sie gar nicht. Drei ließen die Maler im Nachhinein altern, nur dem vierten - Daniel - ersetzten sie das braune Haar nicht durch einen grauen Schopf.

Für solch ein Mammutwerk floss jede Menge Schweiß - im Fall des "Codex Aureus" auch Blut. Mindestens 69 Kälber hätten für die 136 Blätter Pergament sterben müssen, sagt Generaldirektor Großmann. "Die Klosterküche wird während der Herstellung glückliche Momente gehabt haben."

"Codex Aureus" um 1045 entstanden
In der Ausstellung datiert Kuratorin Grebe auch den Entstehungszeitpunkt für den "Codex Aureus" neu. Die Analysen hätten ergeben, dass Maler mitwirkten, die auch Echternacher Prunkhandschriften zwischen 1040 und 1050 gestalteten. Außerdem seien gleiche Vorlagen verwendet worden. Der Codex dürfte also nicht um 1030, sondern erst um 1045 entstanden sein, der Blütezeit der Echternacher Klosterschreibstube.

Die Ausstellung ist dienstags bis sonntags zwischen 10.00 und 18.00 Uhr geöffnet, mittwochs bis 21.00 Uhr.