Am Freitag beginnt der Prozess um die Christenmorde von Malatya

"Ich wollte dem Missionarswesen beide Beine brechen"

Sieben Monate nach der Ermordung dreier Christen in der Türkei beginnt an diesem Freitag in Malatya der Prozess gegen die fünf mutmaßlichen Täter und zwei Mitwisser. Am 18. April waren der Pastor der protestantischen Gemeinde, ein türkischer Protestant und der Malatya ansässige Deutsche Tilmann Geske gefoltert und erstochen worden.

Autor/in:
Bettina Dittenberger
 (DR)

Zu einer Bibelstunde waren die acht Männer verabredet, die sich am 18. April in einem Büroraum im osttürkischen Malatya trafen. Der Pastor der protestantischen Gemeinde, Necati Aydin, wollte fünf interessierten Studenten aus einem nahen Wohnheim das Wort Gottes erläutern; dazu erschienen auch zwei weitere Gemeindemitglieder, der türkische Protestant Ugur Yüksel und der in Malatya ansässige Deutsche Tilmann Geske.
Wenig später waren die drei Christen tot - von den fünf jungen Männern in eine Falle gelockt, grausam gefoltert und erstochen.

Einen Terroranschlag wirft die Staatsanwaltschaft den Angeklagten vor, darüber hinaus Bildung einer terroristischen Vereinigung, Freiheitsberaubung - und natürlich dreifachen Mord. Mit dem Terrorvorwurf will die Anklagebehörde dem Umstand Rechnung tragen, dass die Täter sowohl unter türkischen Christen als auch unter ausländischen Missionaren Angst und Schrecken säen wollten. Wie die Staatsanwälte Mehmet Badem und Ömer Tetik laut türkischen Medienberichten in ihrer Anklageschrift unterstreichen, sollten die drei Todesopfer von Malatya nach dem Willen der Angeklagten nicht die letzten gewesen sein: Als nächstes Opfer hatten sie demnach den deutschen Pastor der protestantischen Gemeinde im westtürkischen Izmit, Wolfgang Häde, im Visier.

"Nach der Aktion in Malatya wollte ich diesen Pastor Wolfgang in Izmit töten; damit hätte ich dem Missionarswesen beide Beine gebrochen", soll der Hauptangeklagte Emre Günaydin schon in seinem ersten Verhör gesagt haben. Damit benannte er das gesellschaftliche Problem, das eine Tat wie die Christenmorde von Malatya möglich machen konnte: die in der Türkei verbreitete Paranoia, das Land werde von christlichen Missionaren unterwandert. Weniger bei frommen Muslimen ist dieser Verfolgungswahn verbreitet als vielmehr bei türkischen Nationalisten, die darin den Versuch ausländischer Feinde sehen, die türkische Identität von innen auszuhöhlen und das Land ideologisch zu schwächen.

Schockiert konstatierten protestantische Geistliche nach den Morden von Malatya, dass allein der Verweis auf Tilmann Geskes angebliche Missionarstätigkeit vielen Medien und Menschen im Land zumindest als Erklärung für die Tat galt - wenn nicht gar als Rechtfertigung. Die von der Vereinigung protestantischer Kirchen geforderte Rückendeckung der Regierung in Ankara blieb ebenfalls aus. "Wir hätten uns klarere Stellungnahmen und eindeutigere Gesten der Regierung erhofft", sagt Pastor Häde, der mit dem ermordeten Pastor von Malatya verschwägert ist: "Es hätte deutlich gesagt werden müssen, dass nach türkischem Gesetz auch jeder das Recht hat, seinen Glauben zu verbreiten."

Zumindest die Justiz will offenbar keine mildernden Umstände hinter der grausamen Tat sehen. Haftstrafen von bis zu drei Mal lebenslang fordert die Anklagebehörde für Günaydin und seine vier Mittäter - alles junge Männer von 19 und 20 Jahren. Zwei weitere junge Männer, die bei der Tat nicht anwesend waren, sollen nach Antrag der Anklage als Mitglieder einer bewaffneten Bande zu fünf bis zehn Jahren Haft verurteilt werden. Hohe Strafanträge, die den Familien der Opfer aber keine Genugtuung verschaffen. "Ich habe ihnen vergeben", sagte die Witwe von Tilmann Geske, Susanne Geske, zur Überraschung der türkischen Öffentlichkeit schon kurz nach der Tat.

Mehr als harte Strafen für die Täter wünschen sich die Hinterbliebenen und die protestantischen Gemeinden in der Türkei vom Prozess eine Aufklärung: "Wir wünschen uns, dass die Wahrheit über die Hintergründe und Hintermänner ans Licht kommt", sagt Häde, der den Prozess aufmerksam verfolgt. Als schlechtes Zeichen werten die Angehörigen deshalb die Geheimhaltung, der das gesamte Verfahren als Terrorprozess unterliegt: So geheim wurden die Ermittlungen geführt, dass sogar der Witwe von Necati Aydin Einsicht in den Autopsiebericht verwehrt wurde.