Kirche kritisiert GDL und Bahnstreik

"Keine echte Gewerkschaft"

In dem seit Monaten andauernden Tarifstreit um die Lokführer bei der Deutschen Bahn bleiben die Fronten verhärtet. Auch an diesem Freitag müssen die Bahnreisenden wegen des bis Samstagnacht 2.00 Uhr befristeten Ausstands mit massiven Behinderungen im Nah- und Fernverkehr rechnen. Die Reaktionen auf den Streik bleiben geteilt. Ein Kirchenvertreter hat nun massive Kritik geäußert.

 (DR)

Der Bahnstreik stößt auch in der Kirche auf Kritik
Beim Ausstand der Lokführergewerkschaft GDL scheine es "um Sonderinteressen zu gehen, die dank einer Machtposition durchgesetzt werden sollen", sagte der Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen, Alfred Buß, in einem epd-Interview.

Die GDL sei aus Sicht des Deutschen Gewerkschaftsbundes "keine echte Gewerkschaft, sondern eher eine Interessengemeinschaft, die ausnutzt, dass sie am längeren Hebel sitzt und Wirtschaft und Verkehr lahm legen kann", so Buß. Grundsätzlich sei aber ein Streik für gerechten Lohn ein legitimes Mittel, betonte der Repräsentant von rund 2,7 Millionen Protestanten.

Schell: Würden auf eigenen Tarifvertrag verzichten
Der Chef der Lokführergewerkschaft GDL, Manfred Schell, ist offenbar zu einem Tarifabschluss bei einem entsprechenden Lohnangebot der Bahn ohne eigenen Tarifvertrag für die Lokführer bereit. Schell sagte am Donnerstagabend in der N24-Sendung "Studio Friedman" auf die Frage, ob er ein Angebot von 31 Prozent mehr Lohn ohne eigenen Vertrag akzeptieren würde: "Dieses Angebot würde ich annehmen." Dies sei allerdings "hypothetisch", da Bahnchef Hartmut Mehdorn kein solches Angebot machen werde. Schell betonte, es müsse für die Lokführer "in jedem Fall" eine Lohnerhöhung mit einer "zweistelligen Prozentzahl" herauskommen, also "mindestens zehn Prozent" mehr. Gleichzeitig müsse es eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen geben.

GDL-Vize Weselsky sagte dagegen, ein eigenständiger Tarifvertrag für die Lokomotivführer sei "unumgehbar". Er fügte hinzu: "Ohne eigenständigen Tarifvertrag sehen wir schwerlich eine Lösung." Am kommenden Montag werde die GDL über eine mögliche unbefristete Ausweitung des Streiks beraten. Der Bahnvorstand habe bis dahin Zeit für ein neues Angebot.

Streiks bis Februar möglich
Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) lehnt nach wie vor ein Einmischen des Bundes in den Tarifstreit ab. Die alleinige Verantwortung liege bei den Konfliktparteien. An die Tarifparteien richtete Tiefensee einen "eindringlichen Appell", am Wochenende wieder zu verhandeln.

Der SPD-Politiker Johannes Kahrs lobt derweil die harte Haltung des Bahnvorstands. Der Sprecher des Seeheimer Kreises in der SPD betonte: "Ich halte den Tarifkonflikt bei der Bahn für überflüssig und glaube, dass das Angebot der Bahn akzeptabel ist."

Nach Angaben des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) hat die GDL ihre Streikkasse prall gefüllt. "15 Millionen Euro sind realistisch", sagte der IW-Tarifexperte Hagen Lesch. Nach Berechnungen seines Instituts könnte die GDL damit einen Streik von täglich 3000 Lokführern bis Februar finanzieren. Laut GDL waren am Donnerstag bundesweit 3070 Lokführer in den Ausstand getreten.

In Ostdeutschland nur noch wichtige Versorgungszüge unterwegs
Wie die Deutsche Bahn AG am Freitagmorgen mitteilte, fahren zwei Drittel der Fernzüge, insbesondere der ICE-Züge. In Westdeutschland werde rund die Hälfte des Regionalverkehrs aufrechterhalten, in Rheinland-Pfalz und Saarland seien es sogar bis zu 80 Prozent, in den neuen Ländern jedoch nur 20 Prozent.

Bei der S-Bahn in Hamburg fahre jeder zweite Zug. Erhebliche Ausfälle gibt es danach weiterhin bei den S-Bahnen in Frankfurt am Main, Stuttgart, München und Nürnberg. In Nordrhein-Westfalen fahren die S-Bahnen durchschnittlich im 30 Minuten-Takt. Wie am Vortag setzt die Bahn auch am Freitag bundesweit 500 Busse im Ersatzverkehr ein.

Im Güterverkehr spitzte sich die Lage nach Bahn-Angaben dagegen zu. In Ostdeutschland seien nur noch wichtige Versorgungszüge unterwegs, in Westdeutschland werde die Grundversorgung aufrecht erhalten.