Unions-Politiker bangen um ihr Denkmal Kohl und fordern Thierses Rücktritt - dieser dementiert

"Skandalös und eines Bundestagsvizepräsidenten unwürdig"

Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) weist den Vorwurf zurück, sich abfällig über Alt-Kanzler Helmut Kohl (CDU) und dessen Umgang mit seiner verstorbenen Ehefrau geäußert zu haben. Wie die "Saarbrücker Zeitung" (Freitagausgabe) berichtete, hat Thierse einen Brief an Kohl geschrieben und darin seine in einer Zeitung zitierten Äußerungen als "falsch und verkürzt" bezeichnet. Politiker aus CDU und CSU hatten den Rücktritt Thierses gefordert.

 (DR)

Der fragliche Satz - "Seine Frau im Dunkeln in Ludwigshafen sitzen zu lassen, wie es Helmut Kohl gemacht hat, ist kein Ideal" - sei von ihm nicht autorisiert worden, schrieb Thierse nach Informationen der "Saarbrücker Zeitung".

Thierse betonte der Zeitung zufolge in dem Schreiben weiter, er habe in einem Telefongespräch mit einem Journalisten zum Fall Franz Müntefering lediglich gesagt, dass wie Müntefering alle Politiker in eine Lage kommen könnten, wo sie zwischen Politik und Familie abwägen müssten. Dabei gebe es keine ideale Lösung, die nichtöffentlich negativ kommentiert werde. Weder sei es ideal, seine Familie zu verlassen, noch die Politik. Es handele sich im Fall Kohl wie im Fall Müntefering jeweils um eine persönliche und sehr schwierige Entscheidung, die er nicht bewerten wolle, sondern respektiere. Mehr habe er nicht zum Ausdruck bringen wollen. Er bedauere, wenn durch ein verkürztes Zitat ein anderer und falscher Eindruck entstanden sei, schrieb Thierse den Angaben zufolge dem Altkanzler.

CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla hatte in einem Brief an Thierse, der der Nachrichtenagentur ddp vorliegt, am Mittwoch eine Entschuldigung des Bundestagsvizepräsidenten gefordert. Thierse verhalte "sich unwürdig eines Mitglieds des Deutschen Bundestages". Thierse beschädige "erneut" sein Amt und verletze mit "völlig haltlosen Behauptungen die Würde anderer Menschen". Zahlreiche weitere Unions-Politiker hatten Thierse zu einer Entschuldigung beziehungsweise zum Rücktritt aufgefordert.

Breite Front der Empörung
Der rechtspolitische Sprecher der Union, Jürgen Gehb (CDU), betonte: "Er hat das Amt des Bundestagsvizepräsidenten schwer beschädigt. Ich habe jede Achtung vor Herrn Thierse verloren und kann ihn nicht mehr ernst nehmen. Die Äußerung disqualifiziert ihn mindestens für das Amt des Bundestagsvizepräsidenten, wenn nicht sogar dafür, weiter Mitglied des Parlaments zu bleiben."

Unions-Fraktionsvize Hans-Peter Friedrich (CSU) erklärte: "Die SPD sollte sich überlegen, ob Herr Thierse der richtige Repräsentant an der Spitze des Parlaments ist. Seine Mischung aus Selbstgefälligkeit und offensichtlichen Charaktermängeln ist langsam unerträglich."

Unions-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach (CDU) sagte der in Hannover erscheinenden "Neuen Presse" (Donnerstagausgabe): "Das ist deutlich unter der Gürtellinie und unverantwortlich." Gerade von einem Bundestagsvizepräsidenten sei zu erwarten, dass er solche "dümmlichen Äußerungen" unterlasse.

"Wenn er sich nicht innerhalb von 24 Stunden entschuldigt, sollte er sein Amt abgeben", sagte der Sprecher der Unions-Landesgruppen im Bundestag, Georg Brunnhuber (CDU). Thierse "kann nicht mehr für die Mitglieder des Bundestages sprechen", sagte Brunnhuber weiter.

Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) zeigte sich ebenfalls empört: "Ich habe allerhöchsten Respekt, ja Hochachtung vor der Entscheidung Franz Münteferings. Umso schäbiger und geschmackloser finde ich, dass Herr Thierse sich in solcher Weise zu privaten Dingen äußert, in die er keinerlei Einblicke hatte und die er daher ganz sicher nicht beurteilen kann und nicht beurteilen sollte", sagte Koch der "Neuen Presse".

CSU-Generalsekretärin Christine Haderthauer kritisierte Thierse in der "Passauer Neuen Presse" (Donnerstagausgabe): "Es ist geschmacklos, wie Herr Thierse versucht, aus persönlichen Schicksalen politisches Kapital zu schlagen."