Kirchen in Pakistan unterstützen Proteste von Menschenrechtlern und Anwälten

Der Widerstand gegen Musharraf hält an

Peter Jacob hat in diesen Tagen viel zu tun. Er leitet die "Kommission für Frieden und Gerechtigkeit" (Justice and Peace), die Menschenrechtsorganisation der katholischen Kirche in Pakistan. Der Anteil der Christen an den 160 Millionen Einwohnern wird auf zwei bis fünf Prozent geschätzt. Nachdem Präsident Musharraf den Ausnahmezustand verhängte, wurde die Situation für die Aktivisten immer schwieriger.

Autor/in:
Agnes Tandler
 (DR)

Das Schild ist abgehängt - aus Angst. Zu viele sind verhaftet worden in Lahore in den vergangenen Tagen. An einer staubigen Ausfahrtstraße im Süden der Stadt zwischen Elektrogeschäften, einem Maklerbüro und der kleinen "Gourmet Bakery" geht Jacob seiner Arbeit nach.

Lahore ist das wirtschaftliche Zentrum und die zweitgrößte Stadt des Landes. Mit ihren kunstvollen Gärten, Moscheen, Palästen und den roten Sandsteinfestungen aus der Mogul-Zeit kann die Neun-Millionen-Metropole manchmal romantisch wirken. Die Stadt ist grün, voller blühender Bougainvilleen, Weiden, wilden Feigen- und Eukalyptusbäumen. Doch das als liberal geltende Lahore ist auch Zentrum der kritischen Elite des Landes und die Hochburg des Widerstandes gegen Pakistans Präsident Pervez Musharraf.

"Der Protest wird weitergehen", sagt Jacob mit sicherer Stimme. Der Kettenraucher erholt sich gerade von einem Schlaganfall, er humpelt ein wenig, doch unermüdlich qualmt und erzählt er. In seinem Büro stapeln sich Berichte und Zeitungsausschnitte über die Lage der Menschenrechte in dem islamischen Land.

"Wir hatten es nicht erwartet", erklärt er. Doch am ersten Tag, nachdem Präsident Musharraf den Ausnahmezustand verhängt hatte, wurde das Büro der unabhängigen Menschenrechtskommission von Pakistan in Lahore gestürmt. Mittags um zwei, man hielt gerade ein Treffen ab, drangen Sicherheitskräfte ins Gebäude ein, praktisch alle der über 50 Teilnehmer wurden festgenommen, wie Jacob erzählt.

Und noch immer sitzt die Vorsitzende der Kommission, Asma Jahangir, in Haft. Für drei Monate steht die kleine, resolute Frau unter Hausarrest. Die Anwältin, die auch schon für die UN-Menschenrechtskommission tätig war, hat bereits einiges erlebt.
Sie wurde schon häufig mit dem Tod bedroht. Etwa 1995, als sie einen 14-jährigen Christen verteidigte, der zum Tode verurteilt worden war, weil er angeblich blasphemische Worte an die Wände einer Moschee geschrieben hatte. Einmal wurde vor ihren Augen eine Mandantin von ihrer Familie umgebracht, weil sie sich von ihrem gewalttätigen Ehemann scheiden lassen wollte. Wenigstens zwei Anschläge auf sich und ihre Familie überstand die Menschenrechtsaktivistin.

Bis auf Jahangir sind alle anderen Mitglieder der Menschenrechtskommission inzwischen wieder frei. Doch das Büro der Organisation in Lahore ist geschlossen. Und manche Mitglieder sind untergetaucht, wie Sohail Akthar vom Nationalen Kirchenrat erzählt.

Nicht so Nadeem Anthony. Er macht unbeirrt weiter. Umgehend nach seiner Freilassung hat er diejenigen Richter des Obersten Gerichts von Lahore besucht, die sich bislang weigern, den Eid auf die neue Notstandsverfassung abzulegen, und ihnen für ihre moralische Größe und Standhaftigkeit gedankt. Dabei riskieren die Oppositionellen, die gegen Musharraf auf die Straße gehen, in diesen Tagen einiges. "Nicht nur Verhaftungen, auch Erniedrigungen und Schläge", sagt Jacob.

Ein Anwalt im Rollstuhl sei verprügelt, viele Demonstranten seien verletzt worden. Aitzaz Ahsan, der Präsident der Anwaltskammer des Obersten Gerichtshofes, werde in Einzelhaft gefangen gehalten. Doch Jacob ist überzeugt: "Die Kampagne der Anwälte ist nicht zu stoppen." Er spricht bereits von einer neuen Qualität im politischen Leben Pakistans. "Sie haben einen moralischen Vorsprung".

Im Gegensatz zu den bekannten politischen Figuren Pakistans, die bei vielen Menschen als heillos korrupt gelten, haben sie "keine Leichen im Schrank". Der Widerstand gegen das Regime von Musharraf werde weitergehen. "Gestern haben sich auch die Ärzte dem Protest angeschlossen", freut sich Jacob.