Bundesverfassungsrichter a.D. fordert mehr Toleranz im Streit um Moscheen

Grundrecht auf Religionsfreiheit

Im Streit um den Bau von Moscheen in Deutschland hat der frühere Bundesverfassungsrichter Gottfried Mahrenholz mehr Toleranz und Gelassenheit von den Deutschen gefordert. Abstrakte Ängste vor Muslimen und dem Islam dürften nicht dazu herhalten, das Grundrecht auf Religionsfreiheit und freie Religionsausübung einzuschränken, sagte er am Dienstagabend im Frankfurter Römer. Hintergrund der Debatte ist der Streit um den Bau einer schiitischen Moschee im Frankfurter Stadtteil Hausen.

 (DR)

"Warum ist unsere Gesellschaft so wenig selbstbewusst, eine andere Kultur zu ertragen?", fragte der Verfassungsjurist. Eine Absage an Moscheen oder das Kopftuch bedeute letztlich, dass sich die Gesellschaft ihrer eigenen Würde beraube und ihre eigenen Prinzipien beschädige. In diesem Zusammenhang kritisierte Mahrenholz auch das Kopftuchurteil des Bundesverfassungsgerichts und seine Umsetzung in den Ländern. Ein Verbot des Kopftuchs in der Schule bedeute letztlich, dass das Grundrecht auf Religionsfreiheit aus nachrangigen Erwägungen eingeschränkt werde.

Der Bielefelder Sozialwissenschaftler Wilhelm Heitmeyer warnte davor, die Muslime in eine Opferrolle zu drängen. Wenn die Mehrheitsgesellschaft den Muslimen nur Ablehnung signalisiere, könne das zu Abkapselung und Isolierung der islamischen Bevölkerung führen. Es bestehe dann die Gefahr, dass der Islam zur einzigen Quelle von Selbstbehauptung und Identität werde.
Mahrenholz und Heitmeyer beklagten große Wissenslücken mit Blick auf Denken und Mentalität der Muslime in Deutschland. Notwendig seien Studien und Umfragen, damit staatliche Entscheidungen stärker auf Wissen beruhten statt auf Vorurteilen.

Auch die Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth (CDU) plädierte für Toleranz und eine auf Vernunft gegründete Lösung im Streit um den Moscheebau in Frankfurt. Sie erinnerte an die großen gesellschaftlichen Konflikte und die Studentenunruhen der 60er Jahre in Frankfurt. "Die Situation hat sich beruhigt, die Konflikte wurden gelöst", sagte sie.

Der Inhaber der Stiftungsprofessur für Islamische Religion in Frankfurt, Abdullah Takim, warnte davor, die Muslime in Deutschland als einheitlichen Block wahrzunehmen und die Probleme allein auf den Islam zurückzuführen. Viele Konflikte wie die Rechte von Frauen beruhten auf gesellschaftlichen und sozialen Traditionen in den Herkunftsregionen der Muslime.

Die Hamburger Islamwissenschaftlerin Gudrun Krämer hält einen veränderten Umgang der Muslime mit dem Koran für grundlegend für eine bessere Integration. "Der Koran ist ein Dokument aus dem 7. Jahrhundert", sagte sie. Wie die Christen es geschafft hätten, die Wertvorstellungen der Bibel auf die heutige Zeit zu interpretieren, so müssten auch die Muslime aus heutiger Sicht neue Verhaltensnormen aus dem Koran ableiten.