Durchbruch beim ALG I - Beitragssatz sinkt auf 3,3 Prozent - Kein Post-Mindestlohn

Länger Unterstützung für ältere Arbeitslose

Die Spitzen der Koalition haben ihren Streit über die längere Zahlung von Arbeitslosengeld (ALG I) beigelegt. Der Koalitionsausschuss verständigte sich in der Nacht zum Dienstag zugleich darauf, den Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung zum 1. Januar 2008 von derzeit 4,2 auf 3,3 Prozent zu senken, wie CSU-Chef Erwin Huber und der SPD-Vorsitzende Kurt Beck nach rund sechseinhalbstündigen Gesprächen im Kanzleramt mitteilten. Beck sprach von einem "großen Erfolg".

 (DR)

Nach Angaben von Unions-Fraktionschef Volker Kauder sollen 50-Jährige 15 Monate, 55-Jährige 18 Monate und 58-Jährige 24 Monate lang Arbeitslosengeld I bekommen. Die dazu notwendigen Vorversicherungszeiten müssten noch festgelegt werden. Die Neuregelung soll aber so schnell wie möglich erfolgen. Derzeit bekommen Arbeitslose ALG I nur 12 Monate, über 55-Jährige 18 Monate. Die SPD wollte ursprünglich bereits Arbeitslosen ab 45 Jahren länger Arbeitslosengeld I zukommen lassen.

Die Union setzte sich mit der Forderung durch, dass die Verlängerung keine Mehrkosten bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) verursachen soll. Einen Teil der Gegenfinanzierung trägt der Bund. Er transferiert jene Gelder an die BA, die er spart, weil er weniger Arbeitslosengeld II zahlen muss. Auch sollen Mittel aus dem sogenannten Eingliederungstopf der BA verwendet werden. Beck betonte, für die SPD sei ferner wichtig gewesen, dass die Bundesagentur Rücklagen für schwierigere Zeiten und für Pensionen bilden könne. Beides sei mit den Beschlüssen zum ALG I und zur Beitragssenkung gewährleistet.

Wie der SPD-Chef weiter sagte, soll aus dem Haushalt der Bundesagentur eine Milliarde Euro für zusätzliche Vermittlungsanstrengungen von Langzeitarbeitslosen eingesetzt werden. Zudem sollen 200 Millionen Euro im Bundeshaushalt bereitgestellt werden, um Kinder von Familien "am unteren Rand" besserzustellen.

Noch keine Einigung hat die Koalition für eine soziale Abfederung nach Wegfall der sogenannten 58er Regelung erzielt. Durch die Ende 2007 auslaufende Regelung droht Arbeitslosen ab 58 Jahren Zwangsverrentung mit Abschlägen bei der Rente von bis zu 18 Prozent. Hierzu soll es laut Beck aber noch in dieser Woche Gespräche in den Fraktionen geben. Ein von Vizekanzler Franz Müntefering (SPD) vorgelegter Gesetzentwurf sehe unter anderem vor, dass Betroffenen bevor es zu einer gekürzten Rente kommt, ein Arbeitsplatz angeboten werden soll. Zudem sollen jene, die einen Job in Aussicht haben, bis zu sechs Monate eine Verlängerung der Regelung erhalten.

Post-Mindestlohn vorerst gescheitert - SPD verärgert
Der geplante Mindestlohn für Briefdienstleistungen ist vorerst gescheitert. Die Spitzen der Koalition konnten sich nicht auf eine Lösung einigen, wie Beck, Huber und Kauder mitteilten. Die für Donnerstag im Bundestag geplante Verabschiedung der Ausdehnung des Entsendegesetzes auf Briefdienstleistungen findet somit nicht statt. Das Postmonopol soll gleichwohl zum 1. Januar 2008 fallen, wie Huber und Beck betonten.

Kauder zufolge hat die Union angeboten, jene ins Entsendegesetz aufzunehmen, die "überwiegend" als Post-Dienstleister tätig sind. Eine ähnliche Regelung gebe es auch für das Baugewerbe im Entsendegesetz. Huber sprach von drei Vorschlägen, die aus Sicht der Union gangbar gewesen wären.

SPD-Chef Kurt Beck zeigte sich seinerseits verärgert und warf der Union vor, eine "Kehrtwende" vollzogen zu haben. So habe die Union einen Mindestlohn von acht Euro angeboten, der den vorliegenden Mindestlohn-Tarifvertrag unterlaufen hätte. Zudem habe die Union eine sogenannte "Überwiegensregelung" vorgeschlagen. Diese hätte dazu geführt, dass durch eine einfache Umorganisation jedes Betriebes der Tarifvertrag für nichtig hätte erklärt werden können.

"Ich war geradezu perplex", sagte Beck, weil man nach dem Koalitionstreffen vor acht Tagen davon ausgehen konnte, dass es nur noch um Ausgestaltungsfragen gehe. Beck mutmaßte, dass der Druck der privaten Post-Wettbewerber so groß gewesen sei, "dass die Union nicht standgehalten hat". Es werde jetzt zunächst keinen Post-Mindestlohn geben. Es gebe allerdings Signale, dass die letzte Tür noch nicht zugeschlagen sei, sagte Beck.

SPD-Fraktionschef Peter Struck warf hier Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) persönlich "Verweigerung" vor. Dies sei ein "höchst unerfreulicher Vorgang" und widerspreche Absprachen der vergangenen Monaten und mache die SPD "außerordentlich ärgerlich".