In Mexiko rollt eine Welle der Solidarität für die Flutopfer an

Die Kirche als Verteiler und Aufpasser

"Eine Millionenstadt steht unter Wasser, da müssen wir doch helfen." Für Elitania Santana Delgadillo und Benjamin Canales Rugarcia, Studenten der Universität Anahuac in Puebla, ist der Einsatz keine Frage. Sie verzichten auf drei Tage Unterricht, um die Schwester-Universität in Tabasco bei der Verteilung von Sachspenden zu unterstützen.

 (DR)


Sachspenden statt Mission
Nach der größten Flutkatastrophe Mexikos der vergangenen Jahre treffen jeden Tag tonnenweise Hilfsgüter in Tabascos Provinzhauptstadt Villahermosa ein. Zwei Wochen nach den heftigen Regenfällen, die den Bundesstaat von den Ausmaßen Mecklenburg-Vorpommerns zu 70 Prozent überfluteten, ist die Lastwagenkolonne nun allmählich lichter geworden. Nun gilt es, im Chaos die Güter zu verteilen.

Da bringen Familien einen Sack Bohnen, Babywindeln oder Desinfektionsmittel zu den Sammelstellen. Dort wirbt eine Filmtheaterkette damit, 100 Prozent ihrer Tageseinnahmen für die Katastrophe bereitzustellen. Und auch Politiker machen mit: Auf ein Zehntel ihres Monatssalärs, also zusammen rund 200.000 Euro, wollen Mexikos 128 Senatoren zugunsten der Opfer zu verzichten. Genauso viel hat die US-Regierung zur Verfügung gestellt. Nordamerikas Kirchen haben umgerechnet 1,4 Millionen Euro angekündigt.

Mexikos Kirche hat nicht diese finanzielle Kraft. Aber sie kämpft an vorderster Front. Ihr Netzwerk ist mobilisiert - von der Caritas bis zu einzelnen Pfarreien. Gotteshäuser werden zu Notunterkünften umfunktioniert. Die "Familia Misionera" - Laien, die sonst mit der Bibel in abgelegenen Dörfern missionieren - verteilen derzeit Sachspenden.

"Sie vertrauen uns"
Die Fundacion San Ignacio, das Hilfswerk der Jesuiten in Mexiko, sammelt Rückmeldungen seiner Posten im Land. "Sobald wir Genaueres über den Schaden wissen, können unsere Mitarbeiter in Aktion treten", erläutert Hugo Sierra. "Unsere ausgebildeten Katecheten und Pastoralassistenten sind in ständigem Kontakt mit den Menschen auf dem Land. Und dort ist die größte Not." Ganze Siedlungen seien dort abgeschnitten, die Bauern ihrer Lebensexistenz beraubt. "Die Leute kennen uns. Sie vertrauen uns. Sie wissen, wir kommen nicht mit Hintergedanken", so Hugo Sierra.

Zuerst kam der Ruf nach Hilfe; inzwischen gibt es auch erste Schuldzuweisungen an die Adresse der Politik. Opfer beklagen, Politiker hätten über Jahrzehnte Gelder veruntreut, die zur Erschließung des Bundesstaates, für Uferbefestigungen und für die Katastrophenvorsorge gedacht gewesen seien. Und so erfüllt die Kirche nach Einschätzung von Jesuiten-Helfer Sierra zwei wichtige Aufgaben: Sie leiste spirituellen Beistand; zum anderen erwarteten die Leute, "dass wir aufpassen, dass die Gelder richtig verwendet werden".

Hilfsgüter gegen Wahlstimmen
Joost Martens, Regionaldirektor für Zentralamerika der Hilfsorgansiation Oxfam, unterstreicht dies. Leider sei "gemeinhin bekannt, dass Hilfsgüter oft auf dem Schwarzen Markt landen". Deshalb wird Concepcion Colotla von der Campesino-Organisation "Union Campesino Emiliano Zapata" ihre 40 Tonnen Lebensmittelspenden nicht aus den Augen lassen, "bis ich sie den Notleidenden direkt in die Hand gedrückt habe".

Ein weiterer trauriger Umstand ist, dass Lokalpolitiker Hilfsgüter gegen Wahlstimmen abgeben. "Das wirft ein schlechtes Bild auf die politische Elite", räumt der Jesuit Sierra ein. Dieses Negativ-Image von Korruption, Unfähigkeit und Ineffizienz dürfe man aber nicht auf die Leute übertragen. Er jedenfalls sei "hundertprozentig überzeugt von der echten Hilfsbereitschaft der Menschen".

KNA-Mitarbeiterin Brigitte Schmitt