Theologen gegen schärfere Verfolgung von Gotteslästerung

Paragraph 166 und die Frage nach dem Sinn

Katholische und islamische Theologen haben sich dagegen ausgesprochen, Gotteslästerung im deutschen Strafrecht schärfer zu verfolgen. Nicht nur das: Sie sprechen sich für eine Abschaffung des entsprechenden Paragraphen 166 aus dem Strafgesetzbuch aus.

 (DR)


"Man erweist der Religion dadurch keinen Dienst"
Ein Blick in die Geschichte zeige, dass Strafprozesse mit dem Vorwurf der Gotteslästerung "ausnahmslos zu nichts geführt" hätten, sagte der niederländische katholische Theologe Jean-Pierre Wils am Freitag in Münster. "Man erweist der Religion dadurch keinen Dienst, dass man sie strafrechtlich schützen will", erklärte Muhammad Kalisch, Direktor des Centrums für religiöse Studien an der Universität Münster.

Die beiden Theologen plädierten für eine Abschaffung des entsprechenden Paragraphen 166 aus dem Strafgesetzbuch und wandten sich dabei gegen Äußerungen aus dem Bundesland Bayern. Von dort waren in der Vergangenheit vermehrt Stimmen laut geworden, die eine Verschärfung dieses Paragraphen gefordert hatten. Solange der öffentliche Frieden gesichert sei, habe sich der Staat neutral gegenüber den religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen seiner Bürger zu verhalten, so Wils und Kalisch.

"Gott lässt sich nicht beleidigen"
Wils attestiert nicht nur dem Islam sondern auch den christlichen Religionen eine zunehmende Kränkungsbreitschaft. Diese sollten nicht schweigen, und ihre Argumente in die mediale Debatte einbringen, erklärte Wils, der gerade ein Buch zum Thema Gotteslästerung veröffentlicht hat. Die Anwendung des Strafrechts in Glaubensfragen würde nach Meinung von Wils die Spannungen zwischen den Religionen nicht reduzieren, sondern eher noch anheizen. Zudem sei damit eine erhebliche Einschränkung der Meinungs- und der Redefreiheit und der Freiheit der Kunst verbunden.

Der Vorwurf der Gotteslästerung sei zu einer "Allzweckwaffe" in der politisch-kulturellen Auseinandersetzung geworden, kritisierte Wils weiter. Dies mache ihn so "diffus und gefährlich". Dass es überhaupt zu einer Wiederkehr dieses Phänomen gekommen ist, führte Wils auf die politische Wiederkehr der Religionen zurück. Der Streit um dänische Karikaturen habe gezeigt, dass es sich um ein "globalisierungsfähiges Phänomen" halte. "Gott lässt sich nicht beleidigen" betonte Wils.

Kalisch forderte eine Streichung des "Gummiparagraphen" im Strafgesetzbuch. Er habe die Sorge, dass es Versuche gebe, das Mittelalter wiederzubeleben. Da sei Gotteslästerern noch die Zunge abgeschnitten worden.v