Streit um kirchliche Krankenhäuser

"Durchschaubares Spiel"

Kirchliche Krankenhäuser beuten nach Darstellung des Marburger Bundes ihre Ärzte aus. Bei den Arbeitsbedingungen für Mediziner stünden kirchliche Krankenhäuser an letzter Stelle, so die Ärztegewerkschaft. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft wies die Kritik zurück.

 (DR)

Schreiben an Lehmann und Huber
Trotz des christlichen Selbstverständnisses sei "die Ausbeutung ärztlicher Arbeitskraft in diesen Kliniken mit am schlimmsten". Der Marburger Bund berief sich auf eine vom Ärzteverband in Auftrag gegebene Umfrage unter rund 80 000 stationär tätigen Medizinern. Danach werden im Vergleich zu öffentlichen Kliniken in kirchlichen Häusern mehr illegale Dienste abverlangt, Überstunden noch schlechter vergütet und Arbeitszeiten kaum erfasst.

In Schreiben an den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann, und den Vorsitzenden des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Wolfgang Huber, forderte Montgomery die Aufnahme von Tarifgesprächen. Montgomery sprach von skandalösen Zuständen in kirchlichen Krankenhäusern. Er rügte: "Es ist die Spitze der Bigotterie, wenn Kirchen einerseits stets das christliche Menschenbild von Nächstenliebe und Barmherzigkeit predigen, andererseits ihre ärztlichen Mitarbeiter gnadenlos ausbeuten."

Umfrage
Die Gewerkschaft stützt ihre Vorwürfe auf eine Umfrage, an der knapp 18.000 Mitglieder des Marburger Bundes teilgenommen hatten. Rund 3.100 davon arbeiten an konfessionellen Häusern. Nach der Umfrage klagen 66 Prozent der Ärzte an kirchlichen Krankenhäusern darüber, dass die Höchstarbeitszeitgrenzen nicht eingehalten werden. In öffentlichen Kliniken seien es nur 57 Prozent, so der Marburger Bund.

Insgesamt gab es in Deutschland nach DKG-Angaben im vergangenen Jahr
2.104 Krankenhäuser, darunter 287 Kleinstkliniken. Von den 1.817 Allgemeinkrankenhäusern waren 696 in kirchlicher oder freigemeinnütziger Trägerschaft (38,3 Prozent). 617 Häuser hatten einen öffentlichen Träger und 504 einen privaten. An den kirchlichen Kliniken arbeiten rund 30.000 Ärzte. Im Rahmen des sogenannten "Dritten Weges" im kirchlichen Bereich vereinbaren Vertreter der Dienstnehmer und Dienstgeber gemeinsam die arbeits- und vergütungsrechtlichen Regelungen. Streiks und Aussperrung als Mittel der Interessenvertretung sind ausgeschlossen.

"Schützenswertes Rechtsgut"
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) wies die Kritik zurück. Dies sei ein "durchschaubares Spiel" und der Versuch, verschiedene Träger gegeneinander auszuspielen, sagte DKG-Sprecher. DKG-Sprecher Priefler sagte, der kirchliche Sonderweg sei ein "schützenswertes Rechtsgut". Er sollte nicht durch Stimmungsmache gefährdet werden. Die DKG ist der Zusammenschluss von 28 Spitzen- und Landesverbänden verschiedener Krankenhausträger.

Über 80 Prozent der Mediziner an kirchlichen Häusern arbeiten nach der Umfrage des Marburger Bundes zwischen 50 und 80 Stunden wöchentlich. Hier würden auch mehr Bereitschaftsdienste als an öffentlichen Häusern angeordnet, kritisierte Montgomery. Während 57 Prozent der Mediziner an Häusern mit einem Tarifvertrag des Marburger Bundes angaben, dass Überstunden gar nicht vergütet werden, waren es an konfessionellen Krankenhäusern 72 Prozent. Montgomery sagte, es sei "die Spitze der Bigotterie", wenn Kirchen einerseits Nächstenliebe predigten, andererseits aber die ärztlichen Mitarbeiter "gnadenlos ausbeuteten".

Montgomery, der am Wochenende auf der Hauptversammlung der Gewerkschaft in Berlin nicht mehr für deren Vorsitz kandidiert, hatte die kirchlichen Häuser bereits vor einigen Tagen in ähnlicher Weise scharf kritisiert. Die DKG, der Deutsche Evangelische Krankenhausverband und der Katholische Krankenhausverband Deutschlands hatten die Kritik unter anderem mit dem Argument zurückgewiesen, die Umfrage des Marburger Bundes sei nicht repräsentativ. Dieser Vorwurf sei "nicht ernst zu nehmen", sagte Montgomery am Freitag. Insgesamt hätten sich rund zehn Prozent aller Ärzte an kirchlichen Kliniken beteiligt.