EKD-Synode: Heute Reformprozess-Diskussion

Erneuter Huber-Appell an Muslime

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Wolfgang Huber, hat die Muslime in Deutschland aufgefordert, kritischen Fragen beim Dialog mit den Christen nicht auszuweichen. Zum Auftakt der EKD-Synode in Dresden gab es aber auch kritische Stimmen zur eigenen Linie des Islam-Dialogs. Heute wird das Kirchentreffen fortgesetzt.

 (DR)

"Religiöse Pluralität ist der Ernstfall der Religionsfreiheit"
Das evangelische Kirchenparlament will auf seiner bis Mittwochabend dauernden Tagung vor allem über den weiteren kirchlichen Reformprozess beraten.

Huber billigte den Muslimen in Deutschland in seinem Bericht vor den
114 Synodalen ausdrücklich das Recht zum Bau von Moscheen zu. Damit sei die kritische Auseinandersetzung über den Ort, die Größe und die Zahl islamischer Gotteshäuser nicht ausgeschlossen. Zugleich mahnte der Berliner Bischof das uneingeschränkte Recht von Muslimen zum Religionswechsel an. Muslime, die zum Christentum übertreten, dürften deshalb genauso wenig bedrängt werden wie Christen, die zum Islam übertreten. "Religiöse Pluralität ist der Ernstfall der Religionsfreiheit", unterstrich der Ratsvorsitzende.

In der Debatte über den Bericht Hubers wurde die Haltung der EKD zum Islam unterschiedlich bewertet. Der Publizist Robert Leicht kritisierte, er habe zu viel "Abgrenzungsrhetorik" vernommen. Die evangelische Kirche müsse aufpassen, dass sie nicht den Eindruck mangelnden Selbstbewusstseins fördere. Es gebe keine Rechtsgrundlage dafür, um Muslimen die Zahl und die Größe ihrer Moscheen vorzuschreiben, gab der Jurist zu bedenken.

Kritik an Islampapier
Die Frankfurter Pfarrerin Ulrike Trautwein sagte, das im vergangenen Jahr vorgelegte Islampapier der EKD sei zu sehr auf Abgrenzung bedacht. Die Problem im Zusammenleben mit Muslimen seien nicht zu unterschätzen. Angesichts verbreiteter Fremdenfeindlichkeit müsse aber alles getan werden, um abgehängte muslimische Jugendliche nicht in den Frust und den Fundamentalismus zu treiben. "Wir müssen die liberalen Kräfte im Islam stärken", forderte die Theologin. Hingegen sagte die Hamburger Synodale Gudrun Lingner, die evangelische Kirche müsse Position beziehen. Abgrenzung sei keineswegs Ausgrenzung.

Huber ging in seinem Bericht auch auf das evangelisch-katholische Verhältnis ein und empfahl eine Stärkung des Gemeinsamen. Evangelische und katholische Kirche sollten ihre gesellschaftliche und politische Verantwortung gemeinsam wahrnehmen: "Wenn die beiden großen Kirchen in Deutschland mit einer Stimme sprechen, könnten sie den Anliegen des christlichen Glaubens eher Gewicht verschaffen, als wenn sie getrennt agieren."

Zur Kontroverse über die Evolutionstheorie sagte der oberste EKD-Repräsentant, unter dem Stichwort Kreationismus würden die biblische Schöpfungsberichte missbraucht. Mit der Verkehrung des Glaubens an den Schöpfer in eine Form der Welterklärung habe das Christentum immer wieder Schiffbruch erlitten. In diesem Zusammenhang attackierte Huber auch die "neuen Atheisten". Deren prominentester Vertreter, der britische Evolutionsbiologe Richard Dawkins, mache die Verfechter des Kreationismus zu den Hauptrepräsentanten des Christentums. "Das ist eine Phantom-Diskussion", kritisierte der Ratsvorsitzende.

Höchstes Entscheidungsgremium der EKD
Huber verlangte entschiedenere Anstrengungen zur Überwindung der Kinderarmut. "Kinder brauchen als eigenständige Geschöpfe auch ein eigenes existenzsicherndes Kindergeld", sagte er mit Blick auf die rund 2,6 Millionen Kinder in Deutschland, die in Armut leben. Die SPD-Bundestagsabgeordnete Kerstin Griese, die Mitglied der EKD-Synode ist, sagte, allein eine Erhöhung der Regelsätze reiche nicht aus, um Kinderarmut zu bekämpfen. Die Hilfe müsse auch tatsächlich bei den Kindern ankommen, so die SPD-Kirchenbeauftragte.

Die Tagung des Kirchenparlaments war am Sonntagmorgen mit einem Gottesdienst in der Dresdner Kreuzkirche eröffnet worden. Der sächsische Landesbischof Jochen Bohl verwies in seiner Predigt auf das gestiegene Interesse an Sinnfragen und Vergewisserung. Die Synode ist das höchste Entscheidungsgremium der EKD. Das Kirchenparlament repräsentiert rund 25,4 Millionen Protestanten in 23 evangelischen Landeskirchen.

Das Treffen setzt am Montag ihre Tagung fort. Hauptthema der Beratungen der 114 Synodalen ist der Fortgang des Reformprozesses in der evangelischen Kirche angesichts von demografischem Wandel und Mitgliederschwund. Die Tagung endet am Mittwochabend.