Geheimdienste befürchten "Überschwappen" des Kurden-Türken-Konflikts auf Deutschland

Macht die PKK mobil?

Krawalle zwischen Türken und Kurden in Berlin und Köln schreckten am vergangenen Sonntag Deutschland auf, erneute Auseinandersetzungen werden an diesem Wochenende erwartet. Für Geheimdienstexperten nur der Anfang: Sie befürchten Auswirkungen des Konflikts zwischen Kurden und Türken im Nordirak auf die Sicherheitslage - dauerhaft und bundesweit.

 (DR)

Kurden verdächtigen Deutsche
Man befürchte, dass sich die Krawalle auch auf andere Regionen des Bundesgebietes ausweiten "und so unsere innere Sicherheit beeinträchtigen könnten", hieß es nun aus Geheimdienstkreisen.

Ein besonderes Augenmerk haben die Geheimdienstler auf Extremisten der seit 1993 in Deutschland verbotenen "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK), die sich in den Berliner Bezirken Kreuzberg und Neukölln mehrstündige Straßenschlachten mit nationalistischen Türken geliefert hatten. Für die Chefin des Berliner Verfassungsschutzes, Claudia Schmid, ist der Konflikt an der Grenze des Nordirak, wo die türkischen Militärs zunehmend gegen Kämpfer der PKK in den kurdischen Gebieten vorgehen, "bereits auf Berlin übergeschwappt".

Viele im Bundesgebiet lebende Kurden glauben, dass sich Deutschland in dem Konflikt auf die Seite der Türken geschlagen hat. "Deswegen sind die PKK-Anhänger, die seit eh und je bei uns weiter konspirativ tätig sind, auf die Deutschen schlecht zu sprechen", berichtete ein Verfassungsschützer. Er verwies auf Erkenntnisse, dass die Türken in Berlin die Kurden zu den Ausschreitungen offensichtlich "provoziert haben, damit diese ihren Zorn auch gegen Deutschland richten". Die Türken würden "von Staatsseite ja geradezu dazu ermutigt, ihr Türkentum zu betonen", sagte Michael Pohly, Dozent am Institut für Iranistik der Freien Universität Berlin.

"Wir müssen sehr aufpassen"
Unions-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach CDU) sagte der Nachrichtenagentur ddp: "Wir müssen sehr aufpassen, dass nicht Konflikte aus anderen Regionen nach Deutschland überspringen, die bei uns dann gewaltsam ausgetragen werden." Wer friedlich demonstrieren wolle, könne das tun, müsse sich aber an das Demonstrationsrecht halten. Wer Gewalt ausübe, müsse mit einem harten Durchgreifen der Polizei rechnen. "Wir haben in den neunziger Jahren schon einmal bittere Erfahrungen mit dem PKK-Terror machen müssen", fügte Bosbach hinzu.

Die PKK war 1978 als Revolutionsbewegung für einen eigenständigen kurdischen Staat von dem Separatistenführer Abdullah Öcalan gegründet worden. Anfang der 90er Jahre brachte sie ihren Terror auch nach Deutschland. 1993 verübte die PKK rund 60 Brandanschläge auf türkische Banken, Reisebüros, Gaststätten und Vereinslokale. 1994 blockierten Zehntausende Kurden im Kampf um das Selbstbestimmungsrecht ihrer Landleute in der Heimat Autobahnen in Deutschland. Demonstranten bespritzten deutsche Polizisten mit Benzin und griffen sie anschließend mit brennenden Holzlatten an. Frauen und Kinder wurden als lebende Schutzschilde gegen Polizeibeamte eingesetzt. PKK-Chef Öcalan hatte geheim befohlen, auf deutsche Polizisten zu schießen.

11 500 Mitglieder oder Anhänger der PKK
Im Februar 1999 wurde Öcalan in der Türkei inhaftiert. Kurden verübten in Berlin aus Protest zunächst Brandanschläge, hielten sich aber später in Deutschland weitgehend mit Terroraktivitäten zurück. "Wir befürchten, dass die Kurden aber im Zusammenhang mit der sich zuspitzenden Entwicklung bei ihrer neuen kriegerischen Auseinandersetzung mit den Türken in Deutschland wieder mobil machen", berichteten nun Geheimdienstler.

Von den etwa 500 000 in Deutschland lebenden Kurden sind nach Angaben eines jüngsten Reports des Kölner Bundesverfassungsschutzamtes rund 11 500 Mitglieder oder Anhänger der PKK, die nach ihrem Verbot in Deutschland den Namen "Kongra Gel" trägt. Die extremistischen Kurden seien jederzeit "aktivierbar".

Von Friedrich Kuhn (ddp)