EU lädt Simbabwes umstrittenen Staatschef zum Gipfel ein

Wer will mit Mugabe aufs Familienfoto?

Der Programmpunkt gehört zum Zeremoniell einer jeden Begegnung von Staats- und Regierungschefs: das sogenannte Familienfoto. Auch wenn sich die Damen und Herren hinter verschlossenen Türen manchmal in den Haaren liegen: Für die Kameras präsentieren sie in der Regel dann doch geglättete Frisuren und ein gepflegtes Lächeln. Wie in den besten Familien eben. Beim EU-Afrika-Gipfel am 8. und 9. Dezember in Lissabon wird das nicht anders sein. Doch spannend wird die Frage, ob nicht den einen oder anderen Regierungschef eine plötzliche Unpässlichkeit übermannt, wenn es zum Fototermin kommt.

 (DR)

Der Grund: Einer will mit aufs Bild, und ein anderer reist deswegen gar nicht erst an. Die EU hat jetzt verlauten lassen, dass sie alle Staaten der Afrikanischen Union (AU) zum Gipfeltreffen einladen wird. Das schließt auch Robert Mugabe ein, den diktatorisch regierenden und die Menschenrechte verletzenden Präsidenten von Simbabwe. Gordon Brown, Repräsentant der einstigen Kolonialmacht und Premierminister von Großbritannien, wird deshalb nicht zum EU-Afrika-Gipfel nach Lissabon reisen.
Gegen Simbabwe hat die EU wegen der miserablen Menschenrechtslage seit 2002 Sanktionen verhängt.

Ob sich weitere Amtskollegen Browns Boykott anschließen, ist fraglich. Spekuliert wurde, dass die Niederlande, die Tschechische Republik und Dänemark dem Treffen fernbleiben könnten. Schweden hat entsprechende Gerüchte bereits dementiert.
Sicher scheint umgekehrt, dass sich Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) von Mugabes Anwesenheit nicht abschrecken lassen. Merkel erklärte, die Beziehungen der beiden Kontinente seien zu wichtig, um sie am Streit um Simbabwe scheitern zu lassen. Und auch Bundespräsident Horst Köhler schloss sich dieser Auffassung am Donnerstag in einem Interview an.

Umgekehrt drohten afrikanische Staats- und Regierungschefs, so zuletzt aus den beiden ehemaligen portugiesischen Kolonien Angola und Mosambik, mit einem Fernbleiben, wenn Simbabwe nicht "auf höchstem Niveau" eingeladen werde. Von vielen afrikanischen Ländern wäre es als Einmischung in innerafrikanische Angelegenheiten empfunden worden, hätte die EU Simbabwe ausgeladen. Schon 2003 war ein EU-Afrika-Gipfel am Streit um Simbabwe gescheitert. Er wurde sechs Wochen vor dem geplanten Termin abgesagt. Diesmal scheint es fünf Wochen vor dem Datum, als könne die Begegnung stattfinden.

Genug zu besprechen gibt es tatsächlich. Zu den brennendsten Themen gehören die geplanten Wirtschafts-Partnerschaftsabkommen,
mit denen die EU ihre Handelsbeziehungen zu den ehemaligen Kolonien in Afrika, der Karibik und der Pazifikregion neu regeln will. Die bisherigen Vergünstigungen laufen zu Jahresende aus, weil die Welthandelsorganisation WTO die einseitigen Präferenzen als unfair gegenüber anderen Entwicklungsländern betrachtet. Die von der EU vorgeschlagenen neuen Abkommen machen den afrikanischen Staaten aber Sorgen, weil sie dadurch ihre Märkte für EU-Produkte öffnen müssen - wenngleich mit Übergangsfristen.

Köhler mahnte jetzt die EU, ihre eigenen Verhaltensweisen zu überprüfen. Wenn Handelsabkommen Agrareinfuhren aus Afrika begünstigten, auf verarbeitete Produkte aber hohe Zölle erhoben würden, sei das unglaubwürdig, so der Bundespräsident. Die Abkommen müssten den Afrikanern eine "faire Chance" geben. Einige Fischereiabkommen der EU mit afrikanischen Ländern bewertete Köhler glatt als "eklatant unfair", weil sie den Europäern gestatteten, den Afrikanern den Fisch wegzufischen. Den Fischern im Senegal und in Mauretanien bleibe kaum noch etwas übrig, als "dann selber in ihre Boote zu steigen und nach Europa zu flüchten".