Schavan überraschend für neue Stammzellengesetz-Stichtagsregelung

Die von der Fahne geht

Bundesforschungsministerin Annette Schavan (CDU) hat sich überraschend für eine neue Stichtagsregelung beim Stammzellgesetz ausgesprochen. Sie halte eine Verschiebung des Stichtages für richtig, solange er in der Vergangenheit liege und keinen Anreiz für den Verbrauch von Embryonen schaffe, sagte Schavan der Tageszeitung "Die Welt" (Freitag). Die katholischen Bischöfe kritisierten die neue Position der Ministerin. Die evangelische Kirche würde eine solche Gesetzesänderung mittragen.

 (DR)

Bislang hatte die Ministerin ihre persönliche Haltung offengelassen, zugleich allerdings Verständnis für eine Verschiebung des Stichtags gezeigt. Schavan betonte nun, es gebe in dieser Frage ein nicht aufzulösendes "ethisches Dilemma". So verträten bedeutende Forscher die Auffassung, dass man das Wissen aus der embryonalen Stammzellenforschung benötige, um bei der Forschung mit adulten Stammzellen vorankommen zu können. Einen völligen Wegfall der Stichtagsregel für den Import embryonaler Stammzellen nach Deutschland schloss die Ministerin allerdings aus. Dies würde die Substanz des Gesetzes schädigen. Der Lebensschutz müsse der Forschung auch in Zukunft Grenzen setzen.

Bisher dürfen Forscher an embryonalen Stammzellen arbeiten, die vor dem 1. Januar 2002 im Ausland gewonnen wurden. Diese Regelung soll verhindern, dass zusätzliche embryonale Stammzellen verbraucht und dazu Embryonen vernichtet werden.

Bischofskonferenz kritisiert Schavan
Die katholische Deutsche Bischofskonferenz kritisierte die Position Schavans und warnte vor einer weiteren Aufweichung des Embryonenschutzes. Die von der Ministerin vorgeschlagene Verschiebung des Stichtags höhle den Schutzgedanken aus, erklärte die Sprecherin Martina Höhns auf Anfrage in Bonn. Die Förderung auch hochrangiger Forschungsinteressen dürfe unter keinen Umständen dazu führen, dass embryonale Menschen verzweckt und getötet werden. Die Förderung alternativer und ethisch unbedenklicher Forschungsmethoden wie die an adulten Stammzellen sei noch längst nicht ausgeschöpft und sollte verstärkt werden.

Auch der Rottenburg-Stuttgarter Bischof Gebhard Fürst sagte der KNA, wer embryonale Stammzellen gewinne, nehme die Tötung "embryonaler Menschen" billigend in Kauf, obwohl es andere viel versprechende Forschungswege gebe. Fürst, der von 2001 bis 2005 Mitglied des Nationalen Ethikrats war und die Unterkommission Bioethik der Deutschen Bischofskonferenz leitet, verwies zugleich darauf, dass die Forschung mit embryonalen Stammzellen noch keine der immer wieder versprochenen Erfolge verzeichnen könne.

Im Gegenteil habe sich gezeigt, dass es eine hohe Gefahr der Tumorbildung gebe. Demgegenüber habe die Forschung mit adulten Stammzellen bereits konkrete Ergebnisse bei der Heilung von Patienten gezeigt. Ein Verzicht auf die Forschung mit embryonalen Stammzellen bedeute auch keine Gefährdung für den Wirtschaftsstandort Deutschland, sagte der Bischof. Vielmehr habe der Verzicht auf diese Forschung dazu geführt, dass Deutschland in der Forschung mit adulten Stammzellen weltweit einen Spitzenplatz eingenommen habe.

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) bezeichnete eine Verschiebung des Stichtags als vertretbar. EKD-Sprecherin Silke Römhild verwies auf eine Erklärung des Ratsvorsitzenden, Bischof Wolfgang Huber, vom November 2006. Darin heißt es, ein Ausgleich zwischen den gegensätzlichen Überzeugungen bliebe gewahrt, wenn der Stichtag neu festgesetzt würde. Dabei müsse es sich um ein zurückliegendes Datum handeln. Aus evangelischer Sicht würden damit zwar grundsätzliche ethische Bedenken gegen den Verbrauch menschlicher Embryonen nicht ausgeräumt. Ein solcher Weg ließe sich aber "respektieren als ein ernsthafter Versuch, einen Ausgleich zu finden und ethische Konflikte zu befrieden".