Ministerpräsident Beckstein beindruckt - "Sehr menschliches" Vieraugengespräch

Besuch beim Papst war "große Ermutigung"

Bayerns neuer Ministerpräsident Günther Beckstein ist von Papst Benedikt XVI. in Privataudienz empfangen worden. Bei dem Besuch im Vatikan am Samstagvormittag handelte es sich um die erste Auslandsreise des Protestanten in seinem Amt an der Spitze des Freistaats. Im Anschluss an das Treffen sprach der CSU-Politiker vor Journalisten von einer "großen Ermutigung".

 (DR)

Zur Frage des neuen Erzbischofs für München und Freising brachte Beckstein keine Überraschungen aus dem Vatikan mit. "Der Heilige Vater hat darauf hingewiesen, dass der Entscheidungsprozess noch nicht beendet ist", sagte der Ministerpräsident. Ein Beschluss stehe nach Auskunft des Papstes aber "in den nächsten Monaten"
an. Da der 79-jährige bisherige Amtsinhaber Kardinal Friedrich Wetter sich in einer "eindrucksvoll frischen Weise" selbst vertrete, sei die Neubesetzung nicht von einer besonderen Eile.

Gespräch über Familien- und Integrationspolitik
Die Unterredung mit Benedikt XVI. drehte sich nach Auskunft des Ministerpräsidenten unter anderem um die politische Diskussion über die Kinderbetreuung, die Integration von Ausländern und die Zukunft der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. Weiter habe man den Bayernbesuch des Papstes im vergangenen Jahr Revue passieren lassen. Die Tatsache, dass erstmals ein evangelischer Christ Ministerpräsident in Bayern sei, habe Benedikt XVI. als "eindrucksvolle Veränderung" bezeichnet, sagte Beckstein.

Als Ziel seiner ersten Auslandsreise im neuen Amt habe er bewusst den Vatikan gewählt, erklärte Beckstein. Damit wolle er deutlich machen, welche Rolle die katholische Kirche für sein Bundesland und für ihn persönlich spiele. Er bekundete "höchsten Respekt vor der katholischen Kirche, den katholischen Gläubigen und dem Katholizismus in Bayern". Für die Katholiken als größte gesellschaftliche Gruppe des Freistaats besitze er als Ministerpräsident eine besondere Verantwortung.

Eine starke katholische Volkskirche sei auch für ihn als Protestant, so Beckstein, "ein Segen für ganz Bayern". Auf diese Weise stünden "der Materialismus und der Egoismus nicht so im Mittelpunkt". Die Trennung der Konfessionen empfinde er auch persönlich als "schmerzlich"; die Frage der Abendmahlsgemeinschaft habe er bei der Audienz aber nicht angesprochen, sagte der Ministerpräsident.

Beckstein äüßert sich gegenüber Radio Vatikan: Lesen Sie hier den Wortlaut
Die Gesellschaft braucht christliche Werte, und das Christentum hat eine Bedeutung für Europa. In diesen Punkten sind Günther Beckstein und Benedikt XVI. einer Meinung. Der neue bayerische Ministerpräsident war heute in Privataudienz beim bayerischen Papst. Der Besuch im Vatikan war die erste Auslandsreise Becksteins, und vor wie nach dem Besuch betonte er, dass er als Protestant aus Bayern ein Zeichen setzten wollte.

40 Minuten, gut doppelt so lang wie üblich, dauerte das Vieraugengespräch mit Benedikt XVI. „Es war ein ausgezeichnetes, sehr tiefes, sehr herzliches, sehr menschliches Gespräch", erklärte Beckstein im Anschluss.

Dass ihm Wertebindung und Werteerziehung ein wichtiges Anliegen als Ministerpräsident seien, habe der Papst „mit Freude gehört". „Er sagte zu mir: ,Ja, ja, sie stehen ja für Recht und Ordnung in ihrer bisherigen Amtsführung, wenn das nicht nur polizeilich gesehen wird, sondern man auch versucht jungen Menschen mehr Orientierung zu geben…'"

Um Migration sei es im Gespräch gegangen, um Integration und Erziehung, auch um die aktuelle Debatte um das Betreuungsgeld. Der Papst zeigte sich hier als abwägender und realitätsnaher Gesprächspartner: „Ich bin auch jemand, der ganz klar für das Betreuungsgeld sich einsetzt, um deutlich zu machen, dass Eltern, die ihre Kinder erziehen und nicht das Kind schon im Alter von einem oder eineinhalb Jahren in eine außerfamiliäre Betreuungseinrichtung schicken, dass die nicht Kritik, sondern Unterstützung verdienen, das hat der Papst sehr sehr unterstützt. Er hat allerdings auch die Erwägung sofort mit eingefügt, dass die rein gesellschaftliche Situation sehr unterschiedlich ist und gesagt, dass man auch dafür Verständnis haben muss, wenn in bestimmten Situationen Eltern, angesichts ihrer Berufstätigkeit, die sie wollen oder haben müssen, auch aus materiellen Gründen, außerfamiliäre Betreuung brauchen, wobei auch hier Werteerziehung von großer Bedeutung ist."

Die Ökumene konnte bei diesen Gesprächspartnern nicht außen vor bleiben: „Der Papst kennt mich noch aus seiner Zeit als er Kardinal in München war und hat sofort gesagt, ,Es ist für die Bayern doch auch eine eindrucksvolle Veränderung, wenn ein evangelischer Christ Ministerpräsident ist.' Er hat davon gesprochen, dass aber gerade aus seiner Sicht in dieser Frage des Politischen die konfessionelle Ausprägung nicht im Vordergrund steht, sondern die Bindung an christliche Grundwerte etwas ist, was er sehr begrüßt.
Wir haben dann auch über die Fragen der Ökumene gesprochen, ich habe die Grüße des Bayerischen Landesbischofs überbracht und davon gesprochen, dass wir in der Ökumene auf einem nicht einfachen aber immerhin auf einem guten Weg sind. Der Heilige Vater hat darauf hingewiesen, dass was über Jahrhunderte in der Trennung ist, nicht in kurzen Schritten vereint werden kann."

Der Synodale Beckstein war von seiner ersten Privataudienz beim Papst, von der Messfeier im Petersdom und dem Vatikanischen „Drumherum" sichtlich beeindruckt. Ist er ein klein bisserl neidisch? „Wir Evangelische haben in der Regel ja sehr nüchterne Gottesdienste, allenfalls mit wunderbarer Kirchenmusik. Ich bin ein großer Liebhaber von bachscher Musik, Bachkantaten oder Motetten, die ja oft in einer mathematischen Weise konstruiert sind. Aber sonst ist es bei uns relativ nüchtern. Ich habe hier einen gewissen Neid auf die Farbenfreude und auch insgesamt dass das Gemüt in einer katholischen Messe stärker angesprochen wird, als das in evangelischen Gottesdiensten der Fall ist. Ich verhehle nicht, dass ich es jedes Mal schmerzlich empfinde, dass die Teilnahme an der Eucharistie für den evangelischen Christen nicht möglich ist. Ich habe das Thema beim Papst allerdings nicht angesprochen, zumal ich die Diskussionslage kenne."

Becksteins Eindrücke? Er wolle sich nicht von den Äußerlichkeiten, die der Vatikan bietet, ablenken lassen. Zum Beispiel habe ihn überrascht, wie detailgenau der Papst etwa in der Europapolitik Nachfragen stellte. „Die Persönlichkeit des Papstes, den ich schon in seiner Zeit als Kardinal in München kennen gelernt und schätzen gelernt habe als einen äußerst gescheiten, klugen Mann, der feste Wertmaßstäbe hat und auch vertritt und verkörpert. Diese Würde und dieser Respekt sind wirklich für mich auch körperlich spürbar gewesen. Von daher sage ich, es ist eine wirklich - selbst für einen Protestanten - eine ganz eindeutige ,große geistige und geistliche Autorität und dass es deswegen für unseren Globus auch wichtig ist, solche Persönlichkeiten zu haben. Wir dürfen bei aller Globalisierung die Welt nicht nur als Weltwirtschaft verstehen, sondern wir müssen das auch als eine geistige Dimension verstehen. Das wird einem, glaube ich, im Vatikan im Minutenbereich deutlich. Mir ist es wenigstens im Sekundenbereich spürbar gewesen."

Und das Gastgeschenk Becksteins? Zunächst etwas Persönliches: den Füllfederhalter des Jahres eines Nürnberger Traditionshauses, Editionsnummer 16, eingraviert die verschiedenen Stationen der Reise Benedikts in die Heimat. Wie schon bei der Bayernreise des Papstes unterstützt Bayern außerdem das Engagement Benedikts für den Nahen Osten: Einen Scheck über 2.500 Euro gab es „für ein humanitäres Projekt", das Caritas-Baby-Hospital in Bethlehem. Kinder könnten nichts für alle Konflikte, so Beckstein.

Später besuchten Beckstein und Benedikt XVI. in der Audienzhalle das Konzert des Sinfonieorchesters und des Chors des Bayerischen Rundfunks unter Leitung von Mariss Jansons. Auf dem Programm stand Beethovens 9. Symphonie mit dem Chorfinale über Schillers „Ode an die Freude". Auf besonderen Wunsch des Papstes führte der Chor des BR Palestrinas Motette „Tu es Petrus" auf. Das sei der Vorteil als Ministerpräsident, erklärte Beckstein, früher sei er in der Regel zu Sicherheitsdebatten gereist, jetzt dürfe er auch die Kunst genießen.