Kirchliche Hilfswerke starten zwei große Studien zur globalen Verantwortung für die Schöpfung

Klima-Fahrplan in die Zukunft

Sollen sich Chinesen mit ein paar lahmen Spar-Autos begnügen, während Deutsche im Porsche Cayenne über die Autobahn fegen? Dürfen Afrikaner noch Feuerholz im Regenwald schlagen, wenn Australier nur noch Energiesparlampen anknipsen? Der drohende Klima-Kollaps drängt zum globalen Handeln - und wirft auch grundlegende Fragen zur Kluft zwischen Arm und Reich auf. Kirchliche Hilfswerke in Deutschland wollen die Debatte mit zwei umfassenden Studien voranbringen.

Autor/in:
Elvira Treffinger
 (DR)

Die evangelische Seite mit dem Projekt "Zukunftsfähiges Deutschland" und die katholische mit "Klimawandel und Gerechtigkeit."

Wilfried Steen erhofft sich von der Studie zur Zukunftsfähigkeit keine Utopien, sondern "gehbare Ansätze" für einen Politikwechsel in Deutschland. Das Vorstandsmitglied des Evangelischen Entwicklungsdienstes (EED) will keinesfalls moralinsauer Verzicht predigen oder über den Zustand der Welt jammern: "Wir sagen, wir müssen dem technischen Fortschritt eine andere Richtung geben." Als Ziel nennt Steen einen "ressourcenleichten Wohlstand", der Rohstoffe und Umwelt schont. Die leitenden Prinzipien Effizienz, Konsistenz und Suffizienz übersetzt er mit "besser, anders und weniger".

Produktiven Streit erwartet Steen beim Thema Wirtschaft: Verträgt die Erde noch mehr Wirtschaftswachstum? Kann die weltweite Armut bei Nullwachstum gelindert werden? Bietet die Globalisierung Chancen für dezentrale Energiekonzepte? Der EED gab die Studie zusammen mit "Brot für die Welt" und dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) beim Wuppertal-Institut für Klima, Umwelt und Energie in Auftrag. Sie soll Ende 2008 fertig sein und knüpft an die Studie "Zukunftsfähiges Deutschland" von 1995 an, die unter der Federführung des katholischen Hilfswerks Misereor und BUND entstand. Wegen seiner weitgehenden Forderungen schlug das Werk damals hohe Wellen.

In diesem Jahr beschloss Misereor jedoch, andere Wege zu gehen und hat die Studie "Klimawandel und Gerechtigkeit" initiiert: Die Industrieländer sind die Hauptverursacher der Erderwärmung, während die Ärmsten der Armen in Entwicklungsländern am stärksten unter den Folgen leiden: Dürren, Überschwemmungen und verheerende Stürme häufen sich bereits. Um den Temperaturanstieg auf maximal zwei Grad zu begrenzen, ist eine drastische Reduktion der Kohlendioxid-Emissionen
(CO2) nötig.

Bernd Bornhorst, Abteilungsleiter Entwicklungspolitik bei Misereor, verweist auf die "Kohlenstoffschuld" der reichen Länder, die seit der Industrialisierung den Löwenanteil des klimaschädlichen CO2 in die Atmosphäre pusteten. Haben die armen Staaten Anspruch auf Ausgleich? Auch der von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) aufgenommene Vorschlag ist im Blick, jedem Menschen auf der Welt die gleiche Menge CO2-Emissionen zuzugestehen, etwa zwei Tonnen jährlich im Jahr 2050.

Das erfordert einen radikalen Wandel. Denn heute verursacht ein US-Amerikaner im Durchschnitt rund 20 Tonnen CO2 pro Jahr, ein Deutscher elf, ein Chinese 3,5 und ein Afrikaner weniger als eine Tonne. Für Bornhorst ist klar, dass Produktion und Konsum sich ändern müssen. "Wir müssen ein anderes Modell vorleben", sagt er.

Misereor hat seine Studie zusammen mit der Stiftung der Versicherung "Münchner Rück" beim Potsdamer Instituts für Klimafolgenforschung in Auftrag gegeben. Leiter ist Kanzlerberater Hans Joachim Schellnhuber.

Die Studie "Klimawandel und Gerechtigkeit" ist auf drei Jahre angelegt. Ein erstes Zwischenergebnis, ein "Meilenstein", soll auf der UN-Klimakonferenz im Dezember auf Bali (Indonesien) veröffentlicht werden. Vertreter der evangelischen wie der katholischen Seite zeigen sich überzeugt, dass die zwei Studien sich gut ergänzen werden. Beide entspringen dem Leitmotiv der Verantwortung für die Schöpfung.