Bahn und Lokführer treten im Tarifkonflikt auf der Stelle

"Eigen" oder "Eigenständig"

Der Tarifkonflikt der Deutschen Bahn mit der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) beherrscht seit Monaten die Schlagzeilen. Es gibt Gespräche, Verhandlungen, Warnstreiks, Gerichtsverhandlungen, dann wieder Gespräche, Streiks, neue Verhandlungen, neue Gerichtsverhandlungen, neue Streiks, Vermittlungen durch Politiker und als nächstes entweder wieder Gespräche, Verhandlungen oder doch wiede Streiks. Zwar bewegen sich beide Seiten viel, sie treten aber letztlich auf der Stelle. Eine Einigung ist nicht in Sicht, im Grundsatz beharren beide Seiten auf ihrer Position.

 (DR)

Die Bahn bewies Fantasie, indem sie immer neue Angebote vorlegte, ohne der GDL dabei eine Tariferhöhung in Aussicht zu stellen, die deutlich über den Abschluss der Tarifgemeinschaft aus den beiden großen Bahn-Gewerkschaften Transnet und GDBA hinausgeht. Mit denen hat die Bahn 4,5 Prozent Tariferhöhung sowie eine Einmalzahlung von 600 Euro vereinbart.

Den Lokführern bietet die Deutsche Bahn nun zusätzliche 5,5 Prozent, aber verlangt dafür im Gegenzug zwei Stunden Mehrarbeit. Zudem sollen bereits geleistete Überstunden bezahlt werden - 1400 Euro für 104 Überstunden. Ein "deutliches Gehaltsplus" von 31 Prozent, wie von der GDL gefordert, ist dies nicht. Allerdings klingen zehn Prozent Gehaltsaufschlag plus 2000 Euro Einmalzahlung zunächst gewaltig.

Doch um 31 Prozent mehr Gehalt geht es nicht in erster Linie. GDL-Chef Manfred Schell will vor allem einen "eigenständigen Tarifvertrag" für die Lokführer, in dem auch Entgelte und Arbeitszeiten verhandelt werden. Die 31-Prozent-Forderung wäre dann schnell vom Tisch, betonte er immer wieder.

Einen "eigenen Tarifvertrag" hat die GDL seit Jahren, allerdings ist der inhaltsgleich mit dem der Tarifgemeinschaft aus Transnet und GDBA. So würde es Bahn-Chef Hartmut Mehdorn auch am liebsten beibehalten. Er fürchtet einen eigenständigen Tarifvertrag für seine Zuglenker, da andere Berufsgruppen diesem Wunsch folgen und den Konzern durch ein Vielzahl unterschiedlicher Tarifverträge ins Chaos stürzen könnten. Mehdorn will die Tarifeinheit bei der Deutschen Bahn wahren.

Schell hingegen will einen eigenständigen Tarifvertrag, um die Tür für eine langfristige Einkommensverbesserung von Lokführern durch separate Tarifverhandlungen zu ermöglichen. Andere Berufsgruppen, wie die Ärzte beim Marburger Bund und die Pilotenvereinigung Cockpit, haben diesen Weg bereits erfolgreich beschritten.

Böse Stimmen behaupten, Schell wolle sich rund ein halbes Jahr vor seiner Pensionierung ein Denkmal setzen und kämpfe deshalb so unerbittlich. Doch es geht hier auch um die Existenzberechtigung der GDL. Die Bahn-Mitarbeiter könnten sich fragen: Wer benötigt die kleine GDL im Schatten von Transnet und GDBA, wenn sie nicht einmal Tarifverträge abschließen kann, eine der ureigensten Aufgaben einer Gewerkschaft? Wird sie sich unter einem weniger starken Vorsitzenden als Schell überhaupt noch behaupten können? Schell sprach deshalb bereits von einem "Vernichtungsfeldzug".

Auch das hochgelobte Ergebnis des sogenannten Moderationsverfahrens unter den CDU-Politikern Kurt Biedenkopf und Heiner Geißler erwies sich schnell als brüchig. Es kam offenbar nur deshalb zustande, weil es beiden Seiten genügend Interpretationsspielraum ließ, die Vereinbarung im eigenen Sinne auslegen zu können. Der Grundkonflikt wurde nicht gelöst, sondern lediglich kaschiert. Der GDL wurde zwar ein "eigenständiger Tarifvertrag" in Aussicht gestellt. Dieser sollte sich aber "konflikt- und widerspruchsfrei" in ein Gesamttarifsystem einfügen. Beides in Einklang zu bringen, ähnelt der Quadratur des Kreises. Bis zu einer Einigung dürften Bahn und GDL daher noch weiter für Schlagzeilen sorgen.