amnesty-Atlas zum Welttag gegen Todesstrafe

Ein "globaler Trend"

Der Blick in den Atlas von amnesty international zum Welttag gegen die Todesstrafe am Mittwoch macht es deutlich: Der Kampf gegen die Todesstrafe ist noch lange nicht gewonnen. - Human Rights Watch richtet den Blick gezielt Richtung Olympische Spiele 2008 - und damit auf China.

Autor/in:
Klaus Nelißen (kna)
 (DR)

Hinrichtungswelle im Iran
In der Weltkarte, die amnesty international (ai) zum Welttag gegen die Todesstrafe herausgegeben hat, stechen einerseits jene Staaten mit blauer Farbe deutlich hervor, die im Jahr 2006 Todesurteile verhängten und vollzogen - insgesamt 64. Andererseits deuten immer mehr weiße Flächen auf eine zunehmende Abkehr von Hinrichtungen weltweit hin.

Nach der Erhebung der Menschenrechtsorganisation strichen in der zurückliegenden Dekade durchschnittlich mehr als drei Staaten pro Jahr die Todesstrafe ganz aus ihren Gesetzesbüchern. Momentan sind das 133 Länder. Dass aber zu den Staaten, die an Hinrichtungen festhalten, Großmächte wie China und die USA gehören, färbt die Weltkarte großflächig dunkel ein. Damit ergibt sich ein paradoxes Bild: Obwohl fast zwei Drittel der Staaten weltweit von der Todesstrafe abgerückt sind, lebt nur ein knappes Drittel der Weltbevölkerung in Staaten, die nicht hinrichten.

91 Prozent aller Hinrichtungen fanden weltweit in nur sechs Staaten statt: in China, Iran, Pakistan, Irak, Sudan und den USA. Von ihnen verzeichnen lediglich die USA für 2006 leicht rückläufige Hinrichtungszahlen, von 60 im Vorjahr auf 53. Im Iran dagegen stieg die Zahl von 94 auf mindestens 177, so die Schätzungen von ai. Menschenrechtler sprechen seit Monaten von einer Hinrichtungs-Welle, mit der der Mullahstaat Stärke zeigen und eine streng islamische Ordnung aufrecht erhalten will.

Todesstrafe: ein globaler Trend
Die mit Abstand meisten Hinrichtungen beobachten Menschenrechtler in China; dort werden laut ai 64 Prozent aller weltweiten Todesstrafen verhängt. Die Regierung in Peking hütet die Zahlen wie ein Staatsgeheimnis; Organisationen wie Human Rights Watch (HRW) gehen aber von 7.500 Exekutionen in diesem Jahr aus. HRW befürchtet, dass das Gastgeberland der Olympischen Spiele 2008 seine Todesstrafenpraxis sogar noch ausweitet - aufgrund angekündigter Maßnahmen zur Kriminalitätsbekämpfung im Vorfeld der Spiele. Bereits im Februar 2006 stellte die chinesische Provinz Guangdong Handtaschenraub unter Todesstrafe.

Damit weist amnesty international auf einen anderen globalen Trend hin: Die Todesstrafe wird zunehmend nicht nur in Fällen gewalttätiger Verbrechen verhängt, sondern auch für weniger gravierende Delikte. So kann die Todesstrafe seit 1999 in Oman auch für Drogenhandel, in Kuba für bewaffneten Raubüberfall und Korruption oder in den Vereinigten Arabischen Emiraten für bestimmte Umweltvergehen verhängt werden. Im April 2001 führte Laos die Todesstrafe für Drogenbesitz ein, der Irak im Oktober
2005 für terroristische Straftaten.

Gesetzliche Standards außer Acht gelassen
Wie schon früher spielen auch religiöse Begründungen eine Rolle.
Im Januar 2002 fand in Nigeria die erste Hinrichtung auf Grundlage der in einigen Bundesstaaten eingeführten Scharia statt. Todesurteile wegen Homosexualität verzeichnet ai in Saudi-Arabien. Dabei beklagt die Menschenrechtsorganisation, dass in vielen dieser Fälle die international anerkannten Mindeststandards nicht eingehalten worden seien und Gefangene nach unfairen Gerichtsverfahren zum Tode verurteilt wurden.

Auch Afghanistan hat gerade nach dreijähriger Unterbrechung erstmals wieder Todesurteile vollstreckt. Unter den 15 Häftlingen, die am Montag in einem Gefängnis der Hauptstadt Kabul erschossen wurden, waren auch Personen, die wegen Ehebruchs zum Tode verurteilt wurden.