Bundesaußenminister Steinmeier stärkt Müntefering den Rücken

SPD streitet unvermindert um "Agenda"-Reform

Im SPD-internen Streit um Reformen der "Agenda 2010" ist vor dem Bundesparteitag der Sozialdemokraten Ende Oktober ein Ende nicht in Sicht. Außenminister Frank-Walter Steinmeier stärkte jetzt Vizekanzler Franz Müntefering den Rücken, signalisierte zugleich aber Zustimmung zu den Plänen von SPD-Chef Kurt Beck, das Arbeitslosengeld I für Ältere länger als bislang zu zahlen.

 (DR)

Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) rechnet damit, dass der Parteitag Becks Vorstoß folgt. Auch die Vorsitzende von Münteferings Landesverband Nordrhein-Westfalen, Hannelore Kraft, stellte sich hinter Beck. Bundesarbeitsminister Peer Steinbrück (SPD) warnte seine Partei derweil vor einer Spaltung.

Steinmeier sagte, Müntefering sei "der erfolgreichste Arbeitsminister seit Jahrzehnten". Er sei "nicht isoliert in der SPD, und starrsinnig ist er auch nicht". Trotzdem deutete Steinmeier seine mögliche Zustimmung zu den Plänen Becks an. Auch in Zukunft müsse in erster Linie Arbeit statt Arbeitslosigkeit finanziert werden. Eine Rückkehr zur Abschiebung in die Frührente dürfe es nicht geben. Darüber hinaus müsse auf Wirtschaftswachstum und Qualifizierung der Arbeitnehmer gesetzt werden.

Wowereit hob hervor, Beck habe eine Richtung vorgegeben und der Parteitag werde entscheiden. "Ich gehe davon aus, dass dann sowohl Fraktion wie auch die Kabinettsmitglieder sich dem Votum des Parteitages abschließen werden." Die SPD müsse sich für die nächsten Jahre "programmatisch aufstellen". In der großen Koalition müsse die Partei im täglichen Regierungshandeln Kompromisse schließen. Sie müsse den Menschen aber auch sagen, was die unter sozialer Gerechtigkeit verstehe.

Der bayerische SPD-Vorsitzende Ludwig Stiegler setzt auf eine Verständigung zwischen Müntefering und Beck. "Es wird keinen Showdown geben. Keiner wird auf der Strecke bleiben." Die SPD werde vielmehr den Vorschlag Becks so ausgestalten, dass auch Münteferings Bedenken berücksichtigt werden. Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) warnt seine Partei laut Presseberichten derweil vor einer Spaltung. Auf dem Parteitag dürfe es nicht zu einer Kluft zwischen der SPD als Partei und ihren Ministern kommen, soll Steinbrück den Berichten zufolge in einer Telefonkonferenz des SPD-Präsidiums am Montag gesagt haben.

Die nordrhein-westfälische SPD-Chefin Kraft unterstrich, eine "Weiterentwicklung der Arbeitsmarktpolitik" sei sinnvoll. Alle Menschen müssten am Aufschwung teilhaben. Es sei eine "Frage der sozialen Gerechtigkeit", auch die sozial Schwachen an der Konjunkturbelebung in Deutschland teilhaben zu lassen, sagte Kraft.

Spitzenpolitiker der Union plädierten dagegen für eine rasche Senkung der Arbeitslosenbeiträge, statt einer längeren Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes I. "Jeder Spielraum muss zur Senkung der Lohnzusatzkosten genutzt werden", sagte Unions-Fraktionschef Volker Kauder. Nach seiner Ansicht sollte der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung auf 3,5 Prozent sinken. Dieser Forderung schloss sich auch Unions-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach (CDU) an.

Der Vorsitzende der Jungen Gruppe in der Unions-Bundestagsfraktion, Marco Wanderwitz (CDU), hält dagegen eine verlängerte Auszahlung des Arbeitslosengeldes I unter bestimmten Bedingungen für akzeptabel. "Wer 30 oder 40 Jahre weitgehend leistungsfrei eingezahlt hat, der darf das Arbeitslosengeld auch etwas länger beziehen." Allerdings müsse auch das sogenannte Schonvermögen bei "Hartz IV"-Empfängern von derzeit maximal 16 250 Euro verdoppelt werden. Beide Schritte müssten jedoch "im System gegenfinanziert werden".