CSU: Neues Grundsatzprogramm - Kardinal Wetter würdigt Stoiber als christlichen Politiker

Der Kapitän geht von Bord

Die CSU geht mit Günther Beckstein als Spitzenkandidat in die Landtagswahl 2008. Der designierte Ministerpräsident wurde auf dem Parteitag in München mit knapp 97 Prozent der Delegiertenstimmen gewählt. Die Partei hat sich zudem nach 14 Jahren ein neues Grundsatzprogramm mit dem Titel "Chancen für alle!" gegeben. In dem Papier bekennt sich die CSU zu ihren christlich-überkonfessionellen Wurzeln. Der Münchner Kardinal Friedrich Wetter hat den aus seinem Amt scheidenden Stoiber als einen Politiker gewürdigt, der "in wichtigen Lebensbereichen christliche Grundsätze überzeugt und überzeugend vertreten habe".

 (DR)

Der Münchner Kardinal betonte, Stoiber habe die katholische Kirche in ihrer Rolle als werteprägende Kraft stets geschätzt und geachtet und es sei ihm bewusst gewesen, „dass die religiöse Dimension, insbesondere in ihrer in Bayern ausgeprägten Weise und kirchlichen Form, auch in der heutigen Gesellschaft Kraft und Bedeutung hat".

In allen politischen Funktionen, so Wetter, habe es zum unverwechselbaren Profil von Edmund Stoiber gehört, Entscheidungen möglichst am christlichen Menschenbild auszurichten. Das traditionell gute Verhältnis zwischen Kirche und Staat in Bayern sei von gegenseitigem Respekt geprägt gewesen und habe sich in einer dem Gemeinwohl dienenden Kooperation gedeihlich entfaltet. „Als Repräsentant des weltanschaulich neutralen Staates wusste der sich offen als katholischer Christ bekennende Ministerpräsident um den besonderen Auftrag der Kirche, der über ihr soziales und kulturelles Engagement hinausreicht und gerade dadurch Land und Volk von Bayern mit seinen geistigen Fundamenten verbindet", schrieb der Kardinal wörtlich.

Die katholische Kirche habe Stoiber in allen ihren mit dem Staat in Kontakt oder Kooperation tätigen Einrichtungen und Institutionen auch in schwierigen Fragen stets als gesprächsbereiten, offenen und sachkundigen Politiker erlebt.

Eine gemeinsame Sorge habe vor allem der Weitergabe und Vermittlung von Werten an die kommenden Generationen gegolten. Man sei eines Sinnes gewesen, wenn es darum gegangen sei, den schulischen Religionsunterricht für alle Altersgruppen und Schultypen als gesamtgesellschaftlich relevanten Dienst zu erhalten und zu stabilisieren. Den Ministerpräsidenten habe interessiert, dass die Kirche mit ihrem umfassenden Angebot in der Jugend-, Bildungs- und Sozialarbeit ihren Beitrag zur Humanisierung der Gesellschaft leiste. Das habe auch für alle Bereiche des karitativen Engagements gegolten. Stoiber habe sich dabei nicht gegenüber kritischen Positionen verschlossen, die entsprechend der Grundsätze der katholischen Soziallehre „im Interesse der bedürftigen und benachteiligten Menschen in die Wirtschaft einzubringen waren".

Viel Lob von Freund und Gegner
Stoiber erhält zu seinem Abschied viel Lob sowohl aus der Schwesterpartei CDU als auch von der SPD. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) dankte Stoiber am Donnerstag für "viele Jahre vertrauensvoller und erfolgreicher Zusammenarbeit". Es gehe nun "eine Ära zu Ende". Die CDU-Chefin fügte hinzu: "Es waren gute Jahre für Bayern."

Vizekanzler Franz Müntefering (SPD) äußerte "Respekt" für das politische Werk Stoibers und unterstrich, es gehe "einer aus der 1. Liga". Der SPD-Vorsitzende Kurt Beck betonte: "In den Koalitionsgesprächen in Berlin haben wir oft hart, aber immer fair verhandelt."

FDP-Chef Guido Westerwelle sagte: "Bei allen Meinungsunterschieden, die wir ausgefochten haben und vielleicht auch weiter pflegen werden: Edmund Stoiber hinterlässt in Bayern eine respektable Bilanz." Stoiber habe "einen großen Anteil daran, dass Schwarz eine heimliche Nationalfarbe Bayerns geblieben ist". Aber Bayern fange auch an "zu merken, dass zu viel Schwarz etwas Düsteres an sich hat".

Der Berliner Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) betonte, Bayern verliere "einen starken Ministerpräsidenten". Er habe an Stoiber das "Preußische" besonders geschätzt: "Zuverlässigkeit, Kompetenz und eine enorme Disziplin".

Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) sagte: "Nicht nur Bayern, auch Deutschland und Europa verdanken Edmund Stoibers Engagement viel." Sein niedersächsischer Amtskollege Christian Wulff (CDU) betonte, der Einsatz des scheidenden CSU-Chefs sei zudem für die gesamte Union "unermesslich". Der nordhrein-westfälische Regierungschef Jürgen Rüttgers (CDU) lobte, Stoiber sei ein überzeugter Föderalist: "Er hat verstanden, was Deutschland ausmacht."

Neues Grundsatzprogramm
Die CSU hat sich nach 14 Jahren ein neues Grundsatzprogramm gegeben. Der Parteitag verabschiedete am Freitag in München den 135 Seiten langen Text mit dem Titel "Chancen für alle!" In dem Papier bekennt sich die CSU zu ihren christlich-überkonfessionellen Wurzeln. Eine Aufnahme der Türkei in die Europäische Union wird kategorisch ausgeschlossen.

Auf Antrag von CSU-Generalsekretär Markus Söder wurde der Begriff "deutsche Leitkultur" in das Programm aufgenommen. Der Parteitag beschloss zudem, in dem Text das Ziel einer größeren Wehrgerechtigkeit zu verankern. Die Wehrpflicht soll demnach künftig Einsätze in der Bundeswehr, aber auch im Zivil- und Katastrophenschutz umfassen.

Der wirtschafts- und sozialpolitische Schlüsselbegriff des Textes lautet "solidarische Leistungsgesellschaft". Eigenverantwortung und Zusammenhalt werden als zentrale christliche Werte herausgestellt. Die CSU strebt demnach eine umfassende Chancen- und Generationengerechtigkeit für Schwache und Starke an. Wer sich nicht selbst helfen kann, soll verlässlich Solidarität erfahren. Der allzuständige Versorgungsstaat sei ein Irrweg.

Die bayerische C-Partei stellt das christliche Menschenbild als bestimmenden Maßstab ihres Handelns heraus. Sie strebt an, die Abtreibungszahlen deutlich zu senken, und lehnt aktive Sterbehilfe ab. Am christlichen Religionsunterricht als Pflichtfach hält sie fest. Muslimische Schüler sollen einen eigenen Religionsunterricht in deutscher Sprache und nach staatlich genehmigten Lehrplänen erhalten.

Schwerpunkt Familienpolitik
Ein Schwerpunkt des neuen Programms ist die Familienpolitik. Die CSU will die finanzielle Anerkennung der Erziehungsleistung in Steuer- und Sozialsystemen verbessern und sich für ein vielfältiges und bedarfsgerechtes Kinderbetreuungsangebot einsetzen. Eltern sollen selbst darüber entscheiden, wie sie
Familien- und Erwerbsarbeit aufteilen. Die Abschaffung des Ehegattensplittings wird strikt abgelehnt. Ein Antrag der Kandidatin für den Parteivorsitz, Gabriele Pauli, für eine andere Definition des Familienbegriffs fand keine Unterstützung.

Für Wirbel hatte zu Beginn der Diskussion vor einem Jahr ein Passus über gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften gesorgt.
Das Programm schreibt jetzt fest, dass die CSU eine rechtliche Gleichstellung mit der Ehe und ein entsprechendes Adoptionsrecht ablehnt. Die Partei erkennt zugleich an, wenn die Partner "verlässlich Verantwortung und Sorge füreinander übernehmen". Das Programm trägt die Handschrift des Vorsitzenden der CSU-Grundsatzkommission, Alois Glück. Der Landtagspräsident will zum Ende der Legislaturperiode 2009 seine Führungsämter abgeben.

Umfrage sieht Huber deutlich vor Seehofer
Im Machtkampf um den CSU-Vorsitz liegt der bayerische Wirtschaftsminister Erwin Huber in der Gunst der CSU-Anhänger offenbar deutlich vor Bundesagrarminister Horst Seehofer. Dem ZDF-"Politbarometer" zufolge bevorzugen 48 Prozent Huber als Nachfolger von CSU-Chef Edmund Stoiber. Für Seehofer sprachen sich 30 Prozent aus. Die Fürther Landrätin Gabriele Pauli bekam nur ein Ergebnis von sechs Prozent.

Der neue CSU-Vorsitzende wird am Samstag auf dem Parteitag in München gewählt. Huber betonte am Donnerstag: "Die CDU weiß, dass wir eine eigenständige Partei sind." Er wolle dies als CSU-Vorsitzender "in keiner Weise ändern". Es werde immer wieder unterschiedliche Akzente zwischen CSU und CDU geben.

Stoiber rief die Unions-Parteien zu "harter Arbeit" bis zur nächsten Bundestagswahl auf. Außerdem müsse die Union in zwei Jahren "mit klaren Aussagen in den Wahlkampf gehen". Stoiber mahnte: "CDU und CSU ist es bisher gelungen, das ganze Spektrum von Mitte bis konservativ abzudecken und rechts von uns keine demokratisch legitimierte Partei entstehen zu lassen. Aber wir müssen darauf achten, dass es so bleibt."

Nach Ansicht des Chefs der CSU-Grundsatzkommission, Alois Glück, muss die CDU "sehr darauf achten, dass das Konservative nicht nur im Programm steht, sondern auch im Handeln ihrer Spitzenleute sichtbar wird". Der bayerische Landtagspräsident kündigte zugleich an, er werde am Samstag für Huber stimmen. Darüber habe er Seehofer schon im Januar informiert.

CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer ließ offen, ob er Huber oder Seehofer wählen wird. Zugleich lobte er die Bereitschaft Seehofers, im Falle einer Wahlniederlage erneut für den Vizeposten zu kandidieren. Dies sei eine "ganz wichtige Botschaft". Ramsauer betonte: "Wir brauchen ihn dringendst unter den Allerersten." Der CSU-Landesgruppenchef fügte mit Blick auf die Wahl am Samstag hinzu: "Absehbar ist nichts, bevor nicht ausgezählt ist."

Der bayerische JU-Vorsitzende Manfred Weber schätzt jedoch die Chancen von Seehofer als gering ein. Er sagte: "Ich gehe davon aus, dass Erwin Huber wirklich Favorit ist und auch gewählt wird." Weber hofft zudem auf ein klares Votum für den neuen Parteichef. Dies sei wichtig für die Interessenvertretung von Bayern in Berlin und die Frage, wie stark "der bayerische Löwe brüllen" könne.