Merkel: "Deutschland hat wieder Grund zur Zuversicht"

Ende der Durststrecke?

Koalition und Opposition ziehen zur Halbzeit der Legislaturperiode eine gegensätzliche Bilanz der Regierungsarbeit. Die Fraktionschefs von FDP, Linke und Grünen warfen der Bundesregierung am Mittwoch in der Generaldebatte des Bundestages schwere Versäumnisse insbesondere in der Innenpolitik vor. Dagegen sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Deutschland habe "wieder allen Grund zur Zuversicht". Für die SPD kündigte Fraktionschef Peter Struck an, im Zuge der Haushaltsberatungen mehr für Studenten und die Kultur erreichen zu wollen.

Autor/in:
Helmut Stoltenberg
 (DR)

Merkel verwies darauf, dass die Zahl der Arbeitslosen seit ihrem Regierungsantritt um mehr als eine Million gesunken und erstmals seit der Wiedervereinigung ein Staatshaushalt ohne neue Schulden in Sicht sei. Deutschland sei dabei, "eine lange Durststrecke zu überwinden", fügte sie hinzu. Zugleich wies sie Forderungen der FDP nach weiteren Steuersenkungen zurück. Angesichts der Schuldenlast komme es darauf an, dass "wir nicht über unsere Verhältnisse leben".

Dagegen forderte FDP-Chef Guido Westerwelle eine Entlastung derjenigen, "die dieses Land tragen". Auch diejenigen müssten etwas vom Aufschwung haben, die "als Leistungsträger überhaupt dafür sorgen, dass dieser ganze Wohlstand einschließlich der sozialen Gerechtigkeit erwirtschaftet werden kann". In der Innenpolitik habe sich die Regierung von Merkels ursprünglichem Motto "Mehr Freiheit wagen" verabschiedet. Stattdessen habe sie "mehr Unfreiheit" gebracht, "allein was das persönliche Verfügen über das Einkommen der Bürger" angehe.

Links-Fraktionschef Oskar Lafontaine beklagte, Millionen Menschen, die in "prekären Arbeitsverhältnissen" lebten, hätten "keinen Grund zur Zuversicht". 2,5 Millionen Kinder in Deutschland lebten in Armut, die Arbeitnehmer seien "vom Wohlstandszuwachs abgekoppelt" und immer mehr Rentner müssten künftig von "Armutsrenten" leben. Zugleich forderte Lafontaine, einen gesetzlichen Mindestlohn einzuführen.

Grünen-Fraktionschef Fritz Kuhn bemängelte, der Bezugskreis der Arbeitslosengeld-II-Empfänger wachse, weil es keinen Mindestlohn gebe. Er hielt der Regierung zugleich Versäumnisse beim Klimaschutz vor. Trotz einiger Schritte in die richtige Richtung werde sie das Ziel der 40-Prozent-Reduzierung der CO2-Emissionen verfehlen.

Wie Merkel würdigte auch SPD-Fraktionschef Struck die von Ex-Kanzler Gerhard Schröder (SPD) initiierte "Agenda 2010". Damit sei eine Stabilisierung der sozialen Sicherungssysteme erreicht, die Jugendarbeitslosigkeit zurückgedrängt und der Mittelstand gestärkt worden. Diese Leistungen würden von der großen Koalition fortgesetzt. Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) sagte, auch mit der "Agenda 2010" sei ein Grundstein dafür gelegt worden, dass Deutschland wirtschaftlich wieder Tritt gefasst habe.

Keine Annäherung der Standpunkte zeigte die Debatte beim Streit um die Afghanistan-Einsätze der Bundeswehr. Merkel warb erneut für deren Verlängerung einschließlich der umstrittenen Anti-Terror-Operation "Enduring Freedom" (OEF). Westerwelle nannte das Engagement einen "humanitären Auftrag der Menschlichkeit", der militärisch geschützt werden müsse. Kuhn sagte, seine Fraktion stehe zum ISAF-Einsatz, doch dessen Glaubwürdigkeit werde durch die Art der OEF-Kriegsführung untergraben. Lafontaine nannte es nicht hinnehmbar, dass auf Grundlage von Fotos der "Tornado"-Aufklärungsflugzeuge der Bundeswehr "unschuldige Menschen umgebracht werden".