Die US-Filme bei den Filmfestspielen von Venedig stehen im Zeichen des Irakkriegs

Politisch wie nie

Ob George Clooney oder Charlize Theron, Brad Pitt oder Tim Burton - die Stars kommen gerne nach Venedig. Der Vorwurf an das Filmfestival: Filme aus den USA werden um ihrer Stars willen in Kauf genommen, während man künstlerisch Wertvolles und politisches Engagement vom europäischen und asiatischen Kino erwartet. In diesem Jahr ist es anders: Die amerikanischen Filme sind politisch wie nie.

 (DR)

Erstaunliche Direktheit
Mit erstaunlicher Direktheit behandeln sowohl Brian de Palma in seinem "Redacted" als auch Paul Haggis mit "In the Valley of Elah" die Folgen des Irak-Kriegs auf die amerikanische Gesellschaft. Im Zentrum der Handlung steht in beiden Filmen eine Gruppe junger Soldaten, die im Irak eingesetzt werden. Sowohl de Palma als auch Haggis greifen das heikle Thema der "Kollateralschäden" auf, die die US-Besatzer dort anrichten. Trotz des gleichen Themas könnten die Filme jedoch kaum unterschiedlicher sein.

Haggis beschreitet den konventionellen Weg des Thrillers mit melodramatischen Untertönen. Tommy Lee Jones spielt einen patriotischen Vater, dessen Sohn kurz nach der Rückkehr aus dem Irak in der Nähe seiner Militärstation ermordet aufgefunden wird. Der Vater, ein pensionierter Berufsoldat, stellt Nachforschungen an. Mit Hilfe einer resoluten Polizistin, gespielt von Charlize Theron, gelingt es dem Vater am Ende, das Rätsel um den Mord an seinem Sohn zu lösen.

Dabei erfährt er Dinge sowohl über den Krieg als auch über seinen Sohn, die er lieber nicht gewusst hätte. Dass Krieg zur Verrohung führt, mag ein Allgemeinplatz sein, dass diese Verrohung jedoch nicht am Golf zurückbleibt, demonstriert der Film auf eindringliche Weise. Am Ende hisst der trauernde Vater die amerikanische Flagge: "In the Valley of Elah" will auf keinen Fall als unpatriotisch gelten. Das Mitleid bleibt ganz auf der Seite der Amerikaner.

Verrohung nicht als Schicksalmacht
Das ist bei Brian de Palmas Film "Redacted" überraschend anders. Auch hier geht es um die Verrohung im Krieg, auch hier steht eine Gruppe von Soldaten im Zentrum, und auch hier registrieren mit Handy gedrehte Filmclips ungute Erlebnisse. Doch de Palma hat im Gegensatz zu Haggis den Mut, konkret zu werden. Sein Film beginnt mit einer ausführlichen Erklärung darüber, was ein Checkpoint ist  und zeigt dann, wie leicht dort eine schwangere Frau erschossen werden kann. Ihr Mann behauptet, die Soldaten hätten ihn durchgewinkt. Die Soldaten sagen, er habe ihre Signale ignoriert.

Bei de Palma ist die Verrohung keine Schicksalmacht, die jeder Krieg einfach nach sich zieht, sondern hat mit solch konkreten Kleinigkeiten zu tun wie einem Handsignal. Sein Film zeigt, wie fremd und wie allein gelassen die amerikanischen Soldaten im Irak sind, in einer Umgebung, die sie in ganz buchstäblichem Sinn nicht verstehen. Das "Durchdrehen" einiger Soldaten, das schließlich in Vergewaltigung und Mord endet, entschuldigt er nicht, genauso wenig wie den laxen Umgang der US-Militärgerichte damit.

Das Thema der Verrohung zieht sich als der eigentliche Rote Faden durch das Festival von Venedig. Selbst Woody Allen greift es in seinem "Cassandra's Dream" auf. Ewan McGregor und Colin Farrell spielen zwei Brüder in London, die der Traum vom besseren Leben zu Mördern macht. Anders als man von Allen erwartet, ist es ein Film ganz ohne Humor, aber mit umso schärferem Sinn für Ironie. Und obwohl bei ihm kein Krieg erwähnt wird, trifft er mit seinem Drama genau ins Schwarze.