Benedikt XVI. prägt Jugendtreffen mit seinem Stil

Erst das Beten, dann die Show

Die Bilder sind vertraut, und doch war es ganz anders. Wer Papst Benedikt XVI. am Wochenende beim großen Jugendtreffen in der italienischen Adria-Stadt Loreto beobachtete, kam an einem Vergleich kaum vorbei. Das zweitägige Glaubensfest auf der grünen Wiese mit Meerblick war das bislang größte Jugendevent in der Amtszeit Benedikts XVI. - wenn man vom Weltjugendtag 2005 in Köln absieht, an dem ursprünglich sein Vorgänger teilnehmen sollte. Die Zusammenkunft von Loreto unter sommerlichem Himmel weckte noch einmal Erinnerungen an Johannes Paul II.: Vor drei Jahren hatte er an gleicher Stelle, in der natürlichen Arena von Montorso, einen Massengottesdienst gefeiert; es war die letzte Reise des schwer kranken Kirchenoberhaupts.

Autor/in:
Burkhard Jürgens
 (DR)

Auch zu Benedikt XVI. kommen die jungen Katholiken zuhauf: In über 100 Sonderzügen, ganzen Busflotten und zu Fuß pilgerte die "Hoffnung der Kirche Italiens", wie der Papst sie nannte, zum Heiligen Haus Mariens an der Adria. 400.000 sollten es schließlich sein, bepackt mit turmhohen Rucksäcken, Zelten, Plastikplanen gegen den Regen, der das fromme Camp anfangs in eine Schlammgrube wie weiland Woodstock zu verwandeln drohte.
Doch der Himmel hatte ein Einsehen. Und die italienische Luftwaffe sorgte mit Patrouillenflügen dafür, dass kein fremdes Flugzeug das sommerliche Blau kreuzte.

Herzlich und begeistert wie eh und je war der Empfang für das Kirchenoberhaupt. Aber der intellektuelle "Professor Dr. Papst"
hat einen eigenen Stil. Benedikt XVI. lobte zwar das "freudige Klima des Gebets und des Festes", doch beschränkte er sich mehr aufs Beten und überließ das Feiern anderen. Frisch aus Castelgandolfo eingeflogen, grüßte er am Samstagnachmittag die Menge, hörte bewegende Lebensberichte von Jugendlichen, beantwortete (abgesprochene) Fragen zum Glauben und lauschte wohlwollend zwei Darbietungen von Andrea Bocelli.

In seinen Reden schlug der Papst den Themenkanon für die Jugend
an: Benedikt XVI. warb für selbstlose Liebe und eheliche Treue anstelle von Egoismus und flüchtigem Glück, warnte vor der Trugwelt der Drogen, ermutigte zum Glaubensbekenntnis und zum Schwimmen gegen den Mainstream. "Habt den Mut, große Pläne zu träumen", rief er seinen Hörern zu. "Vor den Augen Gottes ist jeder von euch wichtig!" In seiner Predigt am Sonntag hielt er ein Plädoyer für Demut als Zeichen der Stärke, schrieb der neuen Generation die Verantwortung für die Schöpfung ins Stammbuch.

Vielen Teilnehmern dürfte von der zweitägigen Veranstaltung aber vor allem die "Nacht der Agora" in Erinnerung bleiben. Um die Zeit zwischen dem Papstempfang am Samstag und der Papstmesse am Sonntag gehaltvoll zu verkürzen, boten die Organisatoren gemeinsam mit dem italienischen Fernsehen eine Art spirituelle
Show: Alessandro Preziosi, unter anderem aus TV-Soaps bekannt, führte mit Meditationen und Kirchenväterzitaten durch das Programm, das landesweit zur Hauptsendezeit ausgestrahlt wurde.
Nationale Stars wie Alt-Barde Lucio Dalla traten auf, auch Claudio Baglioni, der italienische Dieter Bohlen, der sonst alleine Stadien füllt.

Wer fehlte, war Benedikt XVI. Über die Entscheidung hatte sich im Vorfeld die italienische Tageszeitung "La Stampa" mokiert: Es sei die ungewöhnlichste Sendung der TV-Geschichte, die Zuschauer würden um den Protagonisten betrogen. Auch der "Corriere della Sera" erinnerte am Sonntag an das denkwürdige Jugendtreffen 1997 in Bologna, als Johannes Paul II. zusammen mit Bob Dylan und Adriano Celentano auf der Bühne stand. Benedikt XVI. habe wohl "nicht die Passion seines Vorgängers" für Fest, Gesang und Tanz.

Dahinter stehe möglicherweise die Einsicht Benedikts XVI., dass er nicht die Kommunikationsgabe des früheren Schauspielers Karol Wojtyla besitze. Der wahrscheinlichere Grund dürfte aber, wie der "Corriere" ebenfalls anmerkt, die Sorge des Theologen-Papstes sein, seine eigene Botschaft klar von der des Spektakels zu trennen. Lediglich für ein paar Minuten war Benedikt XVI. in der Fernsehshow präsent - über eine Live-Schaltung aus dem Marienheiligtum. Die Bilder zeigten den Papst kniend vor dem kleinen Haus, das der Legende nach Engel von Nazareth hierher brachten. Der Papst sprach ein Gebet, gesammelt, ruhig. Wenn nicht der Wind die Geräusche hertrug, wird er den Applaus der 400.000 unten am Meer kaum gehört haben.