Union und Wirtschaft kritisieren Ulla Schmidt - Caritas begrüßt Plan im domradio

Diskussion um Pflege-Vorstoß

Der Pflege-Vorstoß von Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt gerät zunehmend in Kritik. Der Unions-Pflegeexperte Zylajew nannte die Pläne Schmidts "nicht bezahlbar". Auch Industrie-Vertreter lehnen einen Rechtsanspruch für pflegende Angehörige ab. Der Wohlfahrtsverband Caritas begrüßte dagegen im domradio Schmidts Plan.

 (DR)

Schmidt: Es geht nicht um Urlaub
Es gehe vielmehr um die Situation von Kindern oder Ehepartnern, die mit dem Eintritt eines Pflegefalles bei Vater oder Mutter oder beim Partner konfrontiert seien.

Schmidt betonte, bei den von ihr vorgeschlagenen zehn bezahlten Urlaubstagen handele es sich nur um einen Baustein der Pflegereform. "Darüber hinaus stärken wir die häusliche Pflege, wir stocken die ambulanten Leistungen auf, es gibt zusätzliche Leistungen zur Betreuung von zum Beispiel altersverwirrten Menschen." Darüber hinaus werde es auch möglich sein, dass ein Angehöriger bis zu sechs Monate sozial versichert Auszeit nehmen könne, um für seine pflegebedürftige Mutter oder Vater zu sorgen.

"Davon halten wir nichts"
Der CDU-Politiker Zylajew rechnete vor, bei jährlich 500 000 Erstpflegefällen koste die Umsetzung der Pläne Schmidts bei einem zu ersetzenden Einkommen von durchschnittlich 1500 Euro letztlich 750 Millionen Euro. Er fügte hinzu: "Ich kann das langsam nicht mehr nachvollziehen, wie im Ministerium gerechnet wird." Der Vorschlag sei zwar "sehr schön", aber letztlich wie die Idee "Freibier für alle" - nicht finanzierbar.

Der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) Martin Wansleben sagte zu dem Vorstoß: "Davon halten wir nichts." Mit der längerfristigen Freistellung schieße die Ministerin über das Ziel hinaus, weil vor allem kleine und mittlere Unternehmen mit größeren Anpassungskosten belastet würden. Wansleben plädierte statt dessen für freiwillige Lösungen. "Sie sind der beste Weg und auch bereits gängige Praxis." In mehr als einem Drittel der Unternehmen gebe es diese flexiblen Lösungen bereits.

Ein von Schmidt angeregter und von der Sozialversicherung bezahlter Pflegeurlaub von wenigen Tagen kann nach Ansicht des DIHK Belastungen für Betroffene mildern. "Allerdings sollte diese Regelung auf solche Fälle beschränkt sein, in denen die Pflegebedürftigkeit plötzlich auftritt", hob Wansleben hervor. Nur dann stünden Mitarbeiter unerwartet vor der Aufgabe, den Alltag der Familie neu zu organisieren und benötigten dabei Unterstützung.

Handwerkskammer: Kleine Betriebe ausnehmen
Auch Handwerkspräsident Otto Kentzler lehnte einen Rechtsanspruch auf Freistellung zur Pflege von Familienangehörigen ab. Das würde vor allem kleine Unternehmen "unverhältnismäßig belasten", sagte er. Sollte das Gesundheitsministerium auf den Ansatz beharren, müssten zumindest kleine Betriebe ausgenommen werden, forderte Kentzler. Außerdem müssten Arbeitgeber betriebliche Gründe gegen eine Freistellung geltend machen können.

In der Praxis sei es gerade im Handwerk auch ohne gesetzliche Vorschrift üblich, dass Meister und Arbeitnehmer "gemeinsam in Notfällen eine flexible Lösung finden, die beiden Seiten gerecht wird", betonte der Handwerkerchef. Die Pflege von Angehörigen sei keine Versicherungsleistung der gesetzlichen Krankenkassen sei. Das Bundesgesundheitsministerium riskiere mit solchen Plänen eine unverantwortliche Steigerung der hohen Kassenbeiträge.