Barroso würdigt Kirchenbeitrag zu europäischer Einigung - Kasper: Wir dürfen uns nicht mit der Teilung abfinden

"Das große Abenteuer Europa"

EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso hat den Beitrag der Kirchen zur europäischen Einigung gewürdigt. Der ökumenische Dialog mit dem Schlagwort einer "versöhnten Verschiedenheit" könne zum Vorbild für die Integration werden, sagte er am Donnerstag bei der Dritten Europäischen Ökumenischen Versammlung (EÖV3) in Sibiu (Herrmannstadt). Das Gastgeberland Rumänien gehört seit Januar zur EU. Der vatikanische "Ökumene-Minister" Kardinal Walter Kasper hat den Willen der katholischen Kirche zum konfessionellen Ausgleich bekräftigt.

 (DR)

An dem größten europäischen Kirchentreffen des Jahres nehmen bis Sonntag rund 1.500 Delegierte aus allen christlichen Konfessionen teil. Einer der Schwerpunkte der Beratungen am Donnerstag war die Migrationspolitik.

Die Kirchen hätten das "große Abenteuer Europa" stets begleitet und befruchtet, unterstrich Barroso in seiner mit großem Beifall aufgenommenen Rede. Die Religion sei eine wichtige Quelle für die Werte des Kontinents. Ost und West seien "zwei Formen der Kultur, die untrennbar miteinander verbunden sind". Der Kommissionschef erinnerte an das Wort des früheren Papstes Johannes Paul II., Europa müsse auf beiden Lungenflügeln atmen können.

Lobend äußerte sich Barroso über die Entwicklung in Rumänien. Er sprach sich zudem deutlich für die weltweite Abschaffung der Todesstrafe aus und warb um einen neuen Anlauf für eine EU-Verfassung.

Werben für humane Flüchtlingspolitik
Fachleute sprachen sich für eine großzügigere Flüchtlingspolitik in Europa aus. Die Kirchen könnten einen wichtigen Beitrag für eine "ruhigere und rationalere Debatte über Migration" leisten, sagte Jeff Crisp vom UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR. Die Präsidentin des katholischen Europäischen Laienforums (ELF), Maria Draaijers, plädierte in einem KNA-Interview für ein deutliches Zeichen eines "humanen Europa". Zuvor hatte auch der Präsident der Konferenz Europäischer Kirchen (KEK), Jean-Arnold de Clermont, betont, es sei nicht tolerabel, "dass Migranten in vielen europäischen Ländern als Kriminelle behandelt werden". Das Thema soll in der Schlusserklärung der Konferenz aufgegriffen werden.

Zu den Rednern zählten am Donnerstag auch der anglikanische Bischof von London, Richard Chartres, der orthodoxe Erzbischof Anastasios von Tirana und ganz Albanien sowie der Mailänder Kardinal Dionigi Tettamanzi. Dieser sprach sich für einen geistlich geprägten Zugang zur Ökumene aus. Ohne den Geist und die Erwartung sei die Kirche nur eine religiöse Organisation dieser Welt. Erst der Geist mache aus der Ökumene eine innere Initiative, "die eine Umkehr der Herzen zu Gott bewirkt". In Sibiu versammele sich "die eine Kirche des Herrn", so Tettamanzi. Zugleich räumte er ein, dass Weg und Geschichte der ökumenischen Bewegung "mühsam und kontrovers" erschienen.

Kasper: Wir dürfen uns nicht mit der Teilung abfinden
Der vatikanische "Ökumene-Minister" Kardinal Walter Kasper hat den Willen der katholischen Kirche zum konfessionellen Ausgleich bekräftigt. "Wir dürfen uns nicht abfinden mit der Teilung der Kirchen", sagte der Präsident des Päpstlichen Rates für die Einheit der Christen am Mittwochabend bei der Dritten Europäischen Ökumenischen Versammlung. Die Situation sei "gegen den Willen Christi" und werde als Skandal empfunden.

Kasper äußerte sich in einem Gespräch mit Journalisten aus den deutschsprachigen Ländern. Er bezog auch Stellung zu den Beziehungen des Vatikan zur russisch-orthodoxen Kirche. "Wir können nicht einfach so weitermachen, als ob nichts wäre", sagte der Kurienkardinal mit Blick auf das ökumenische Gespräch. Entscheidend sei, dass die Kirche zum Umkehren, zum Nachdenken und zu Reformen bereit ist. Es komme darauf an, dass man offen in Gespräche hineingehe "und nicht nur sich selbst verteidigen will".

Zur EÖV3 sind von Dienstag bis Sonntag mehr als 1.500 Delegierte aus allen christlichen Konfessionen versammelt. Veranstalter sind die Konferenz Europäischer Kirchen (KEK), zu der Protestanten, Orthodoxe, Anglikaner und Altkatholiken gehören, sowie der Rat der katholischen europäischen Bischofskonferenzen (CCEE).

Umgangssprachlich Kirchen
Kasper hatte am Mittwoch im Eröffnungsplenum der EÖV3 Verständnis für die Verletzungen bei evangelischen Christen geäußert, die durch das im Juli veröffentlichte Vatikan-Papier zum Kirchenverständnis entstanden seien. In der Erklärung der Glaubenskongregation heißt es, die protestantischen Gemeinschaften seien keine Kirchen nach katholischem Verständnis. Darauf angesprochen, dass er in dem Referat mehrmals ausdrücklich den Begriff "Kirche" verwendet hatte, sagte Kasper, die Kongregation gestehe ja zu, "dass man im umgangssprachlichen Sinn von anderen Kirchen sprechen kann". Man müsse sich aber bewusst sein, dass man den Begriff nicht im gleichen Sinn verstehe.

Skeptisch äußerte sich der Kurienkardinal zu einem der zentralen ökumenischen Streitpunkte, die apostolische Nachfolge der Bischöfe. "Es gibt hier nicht den Raum, mit Interpretationen zu manövrieren. Man kann Ja oder Nein sagen." Die katholische Kirche sieht die auf die Jünger Jesu zurückgehende Nachfolge der Bischöfe auf evangelischer Seite nicht mehr gewahrt.

"Schwieriger Prozess"
Mit Blick auf das Verhältnis des Vatikan zur russisch-orthodoxen Kirche hob Kasper hervor, dies sei aus vielen Gründen "ein schwieriger Prozess". Es gebe sowohl international als auch in Russland selbst Fortschritte. Der "Ökumene-Minister" verwies auf die Errichtung einer Kommission, in der die russische Orthodoxie Beschwerden gegen die katholische Seite vorbringen könne, etwa über eine Abwerbung von Gläubigen. Zurückhaltend äußerte sich Kasper über eine mögliche Begegnung von Papst Benedikt XVI. und Patriarch Alexej II. Der Papst sei "bereit, den Patriarchen zu treffen". Gegenwärtig gebe es aber weder einen Termin noch die Vorbereitung eines solchen.

Über die orthodoxe Kirche im EÖV3-Gastgeberland Rumänien sagte der enge Mitarbeiter des Papstes, ihr komme eine wichtige Brückenfunktion in der Ökumene zu, denn Rumänien sei im Grunde ein lateinisches Land. "Von allen orthodoxen Kirchen haben wir zu Rumänien die besten Beziehungen. Wir hoffen, dass das unter dem neuen Patriarchen so weiter geht", so Kasper. Der Nachfolger des jüngst verstorbenen Teoctist I. wird am kommenden Mittwoch gewählt.

Ministerpräsident sagt Besuch ab
Veranstalter der EÖV3 sind die KEK, zu der Protestanten, Orthodoxe, Anglikaner und Altkatholiken gehören, sowie der Rat der katholischen europäischen Bischofskonferenzen (CCEE). Die Versammlung findet nach Basel 1989 und Graz 1997 erstmals in einem orthodox geprägten Land statt. Ministerpräsident Calin Popescu Tariceanu sagte seinen für Donnerstag vorgesehenen Besuch wegen der Überschwemmungen in Südostrumänien kurzfristig ab. Bei der Flut kamen nach jüngsten Meldungen mindestens drei Menschen ums Leben. In der Stadt Tecuci sind 50.000 Bewohner von der Außenwelt abgeschnitten. Am Mittwoch waren über ganz Rumänien schwere Regenfälle niedergegangen.

Mehr zum Thema