Zum bemerkenswerten Ökumene-Disput in Nürnberg

"Die Leitplanken beachten"

"Die Erklärung ist eine Provokation", sagte Kardinal Walter Kasper. Vielleicht hatten viele Gäste am Samstagabend in Nürnberg auf eine solche Aussage gewartet. Doch der Satz des im Vatikan für Ökumene zuständigen Kardinals ging weiter. Erstmals nach dem kontrovers aufgenommenen Glaubenspapier aus Rom trafen zwei Spitzenvertreter des ökumenischen Dialogs aufeinander.

 (DR)

Ein Stück weit ökumenische Spannungen beseitigt
Kasper weiter: "...im positiven Sinn des Wortes." Eine Anregung zum Dialog sei nämlich das Anfang Juli veröffentlichte Dokument der Glaubenskongregation über die Einzigartigkeit der katholischen Kirche. Der Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen diskutierte mit dem Catholica-Beauftragten der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD), dem evangelischen braunschweigischen Landesbischof Friedrich Weber. Inhaltlich sagten sie zwar wenig Neues. Trotzdem dürfte der Abend ein Stück weit ökumenische Spannungen beseitigt haben.

Beide Geistliche debattierten vor mehr als 500 Gästen im schon eine halbe Stunde vor Beginn überfüllten Saal des Caritas-Pirckhheimer-Hauses offen und ohne diplomatische Floskeln. Allen Unkenrufen zum Trotz: Der Dialog funktioniert. "Dieser Abend war sehr konstruktiv", lautete zum Schluss die Bilanz von Weber, der auch Vorsitzender des Arbeitskreises christlicher Kirchen (ACK) in Deutschland ist. Kasper sah eine neue Phase des ökumenischen Dialogs anbrechen, warnte aber vor allzu schnellen Schritten. "Man kann nicht nur Gas geben, das führt zu Karambolagen. Man muss immer auch die Leitplanken berücksichtigen." Die hatten beide vor dem direkten Disput mit dem Publikum jeweils klar benannt.

Und zwar so, wie sie es schon nach der Veröffentlichung des vatikanischen Dokuments getan hatten: Nichts Neues stehe darin, sagten beide - und verwiesen auf die bereits gelebte Ökumene. Weber wiederholte, dass sich das Papier vor allem an Personen innerhalb der katholischen Kirche richte. Und Kasper betonte, dass das Christsein der Nichtkatholiken überhaupt nicht in Frage stehe, es gehe auch nicht um "ein Christsein erster und zweiter Klasse".

"Das schmerzt auch mich"
Bemerkenswert waren die Aussagen jenseits der inhaltlichen Bewertung. So sehr Kasper den Kern des Schriftstücks verteidigte, so unmissverständlich kritisierte er Form und Vorgehensweise. Zwar sah der Kardinal sich bemüht, des Landesbischofs These von einer gezielten Strategie zurückzuweisen. Aber er wisse auch nicht ganz genau, warum es gerade jetzt veröffentlicht worden sei. Wenn man in der Glaubenskongregation gemeint habe, damit eine Diskussion abzuschließen, hätte man sich getäuscht. Vielmehr sei wieder "ein Fass aufgemacht" worden. "Und nun diskutieren wir es eben jetzt", so Kasper.

Das tat das Publikum denn auch - vor allem die Protestanten. Dass das Papier Verletzungen gerade auf evangelischer Seite ausgelöst hatte, gab Kasper unumwunden zu: "Das schmerzt auch mich. Die Beschwernisse meiner Brüder und Schwestern sind auch die meinen." Forderungen nach Sonderrechten für Deutschlands Katholiken beim gemeinsamen Abendmahl wies Kasper aber zurück.

Der Abend machte deutlich, dass der ökumenische Weg eben steinig ist. Das darf nach Ansicht Webers aber nicht dazu führen, resigniert stehen zu bleiben. Die Kirchen dürften sich ihre Streitigkeiten nicht mehr lange leisten, wenn sie nicht noch mehr Gläubige an den Dalai Lama oder andere Religionen verlieren wollten: "Die Menschen in Europa erwarten ein glaubwürdiges gemeinsames Zeugnis. Sie sind es leid, immer wieder vertröstet zu werden."