Parteien uneins über baldiges Scientology-Verbotsverfahren

Noch nicht "ausreichend verfassungsfeindlich"?

Die Politik in Deutschland streitet über ein Verbot der Scientology-Organisation. Während sich Bayerns designierter Ministerpräsident Günther Beckstein (CSU) für die Einleitung eines entsprechenden Verfahrens aussprach, zeigten sich Innenpolitiker von CDU und SPD skeptisch. Derweil kam es nach Angaben des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg zu einer gütlichen Einigung im Falle des nach Hamburg geflohenen Kindes einer Berliner Scientology-Familie.

 (DR)

Beckstein will das Thema gemeinsam mit seinem Hamburger Amtskollegen Udo Nagel (parteilos) bei der nächsten Konferenz der Landes-Innenminister voranbringen, wie sein Sprecher dem "Hamburger Abendblatt" (Donnerstag) sagte. Dabei soll es um die mögliche Einleitung eines Verbotsverfahrens gehen. Die Ressortchefs tagen am 7. Dezember in Berlin.

Nach dem Vereinsgesetz sei ein Verbot der Organisation möglich, betonte Beckstein. Die Hürden für einen erfolgreichen Ausgang seien "sicherlich nicht gering". Das könne aber kein Grund sein, schon die Prüfung zu unterlassen. Scientology stelle eine Organisation mit "erheblichen verfassungsfeindlichen Bestrebungen" dar. Nagel und die Hamburger Scientology-Beauftragte Ursula Caberta hatten sich am Dienstag für ein Verbot ausgesprochen. Die Gruppierung lehnt nach Einschätzung von Fachleuten die parlamentarische Demokratie ab.

Demgegenüber sagte der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Sebastian Edathy (SPD), der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Mittwoch), er sehe gegenwärtig keine realistische Chance für ein Verbot. Auch der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Wolfgang Bosbach (CDU), sagte, er habe Zweifel, dass das Beweismaterial des Verfassungsschutzes schon ausreiche, um Scientology vor Gericht eine Verfassungsfeindlichkeit nachzuweisen. Beide sprachen sich zugleich für eine intensivere Beobachtung von Scientology aus.

Scientology wird nach Angaben von Nagel gegenwärtig in Hamburg, Niedersachsen, Baden-Württemberg und Bayern vom Verfassungsschutz überwacht. Auch in Berlin, wo die Gruppierung im Januar eine große Hauptstadt-Repräsentanz eröffnete, sind die Staatsschützer offenbar wieder tätig. Bundesweit hat Scientology nach Schätzungen zwischen 5.000 und 6.000 Anhänger.

Zum Fall des nach Hamburg geflohenen Kindes einer Berliner Scientology-Familie teilte das Berliner Amtsgericht mit, mit Zustimmung der Eltern sei eine "dem Wohl des Kindes entsprechende Regelung" getroffen worden. Ende Juli war bekanntgeworden, dass die Stiefkinder einer Berliner Scientology-Repräsentantin - ein 14-jähriges Mädchen und ihr 25-jähriger Bruder - in Hamburg Hilfe suchten, weil sie Angst hatten, die Eltern würden das Mädchen gegen seinen Willen auf ein nach den Regeln von Scientology geführtes Internat in Dänemark schicken.

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