Wissenschaftler leitet Arbeitskreis "Kulinaristik und Religion"

Wie Essen und Trinken Leib und Seele zusammenhält

Essen und Trinken haben in allen Religionen große Bedeutung. Welche Rolle sie dort im Einzelnen spielen und wie sich religiöse Rituale rings um die Mahlzeiten im Alltagsleben niederschlagen, untersucht der Liturgiewissenschaftler Professor Guido Fuchs von der Universität Würzburg. Für einen neu gegründeten Arbeitskreis "Kulinaristik und Religion" suche er noch Interessenten aus Theorie und Praxis, sagte er am Freitag dem epd.

 (DR)

Er denke dabei an Germanisten, Volkskundler und Historiker ebenso wie an Gastronomen und Köche. Erst jüngst habe sich ein Bäckermeister vom Untermain bei ihm gemeldet, der sich seit langem mit diesen Fragen beschäftige.
Um Bezüge zwischen Religion und Essen zu erforschen hat die Deutsche Akademie für Kulinaristik in Bad Mergentheim (Baden-Württemberg) den Arbeitskreis gegründet und den katholischen Theologen mit der Leitung beauftragt. "Das Christentum ist ja im Prinzip eine 'Speisereligion'.
Schließlich steht in seinem Mittelpunkt ein Mahl - das Abendmahl", so Fuchs, der auch das Institut für Liturgie- und Alltagskultur e. V.
Hildesheim leitet. Dort gibt es eine im Aufbau befindliche Spezialbibliothek zum Thema "Kulinaristik & Religion".
Der Liturgiewissenschaftler interessiert sich seit langem für religiöse Formen im Alltag. Während er dazu in den vergangenen Jahren vor allem die Feiern von Fronleichnam und des Heiligabends erforscht hat, ist Fuchs jetzt zu einem Thema zurückgekehrt, mit dem er sich vor rund zehn Jahren schon einmal intensiv auseinandergesetzt hat:
"Mahlkultur. Tischgebet und Tischritual" heißt das Buch, das er damals veröffentlichte.
"'Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen': Selbst der Volksmund kennt den Zusammenhang zwischen Nahrungsaufnahme und Religiösem", sagt Fuchs. Und so fänden sich in vielen Kulturen deutliche Einflüsse des Religiösen auf das Essen, den Mahlzeitenstil und sogar auf Kochrezepte: "Da dienen jüdische Speisegesetze dem Zusammenhalt der Religionsgemeinschaft, da regeln christliche Traditionen die Speisenwahl am Freitag, da zeigt ein Wort aus der islamischen Mystik, dass Essen und Trinken auch für Muslime bedeutungsvolle Vorgänge sind, die weit über Verhaltensregeln wie das Fasten hinausgehen."
Das Einnehmen von Speisen ist für Fuchs "ein großes Prinzip, das vieler Wissenschaften bedarf, da es die Angelegenheiten der Religion und des Diesseits umfasst und seine Wirkung am Herzen und am Leib haften bleibt." Auch Jesus sei dort zu finden, wo die Menschen aßen und tranken, um ihnen in ihrem Alltag das Reich Gottes zu verkünden.
Essen, Trinken und Religion - Themen, die in dem Arbeitskreis eine Rolle spielen könnten, gibt es nach Einschätzung des Wissenschaftlers mehr als genug, angefangen von der gottesdienstlichen Mahlgestaltung über religiöse Ausdrucksformen im alltäglichen Essen und Trinken zu sozialethischen Aspekten der Nahrungsherkunft und -herstellung. Ein Beispiel biete die Heilige, deren 800. Geburtstag derzeit groß gefeiert wird: "Wenn Elisabeth von Thüringen auf Speisen verzichtet, die den Bauern unrechtmäßig abgepresst wurden, zeigt das, wie solche Aspekte schon damals eine Rolle spielten, sagt Fuchs.
Gastlichkeit sei ein weiterer Punkt, der zum Beispiel im klösterlichen Alltag, aber auch in religiösen Bildungshäusern von großer Bedeutung ist. Oder Gastronomieseelsorge - sie stehe zwar in erster Linie für pastorale Sorge um die in der Gastronomie Tätigen, doch "gelegentlich übernimmt auch mancher Barkeeper oder Kneipenwirt die Funktion eines Seelsorgers seinen Gästen gegenüber", schmunzelt Fuchs.