Vom Preisanstieg wollen angeblich weder Bauern, Molkereien noch Händler profitieren

Preisabsprachen rund um die Kuh?

Die drastisch erhöhten Preise für Milchprodukte stoßen weiter auf Kritik. Der neue Präsident der Verbraucherzentrale Bundesverband, Billen, vermutet sogar verbotene Absprachen hinter den jüngsten Preiserhöhungen. Interessant sei vor allem, dass die die Zentrale Markt- und Preisberichtsstelle und die Milchindustrie vier Tage vor einer Preiserhöhung Endpreise bis auf den Cent genau ankündigten, sagte Billen den "Stuttgarter Nachrichten". Ein solches Vorgehen deute auf Preisabsprachen hin und rufe nach den Kartellbehörden. Zuvor hatte die Preisberichtsstelle in Bonn angekündigt, dass für Milchprodukte wie Butter Preiserhöhungen von bis zu 50 Prozent bevorstünden.

 (DR)

Die Mitspieler auf dem deutschen Milchmarkt schieben derzeit den Schwarzen Peter von einem zum anderen. Die Branche hat Preiserhöhungen von bis zu 50 Prozent für Milchprodukte angekündigt, anschließend rieselte es heftige Kritik aus der Politik: Die höheren Preise seien überzogen, wetterten Bundesverbraucherminister Horst Seehofer (CSU) und Grünen-Fraktionsvize Bärbel Höhn. Die Bauern bekämen ein paar Cent mehr pro Liter, der Löwenanteil fließe in die Kassen von Molkereien und Handel.

Die Einzelhändler wiesen die Vorwürfe am Dienstag vehement zurück. In den Supermarktkassen lande der Preisaufschlag nicht, versicherte der Hauptverband des Deutschen Einzelhandels (HDE). Und auch die Molkereien - überwiegend genossenschaftlich organisiert - beteuern, jeden Überschuss an die Bauern weiterzuführen. Den Landwirten reicht das aber nicht - sie fordern ein größeres Stück vom Kuchen auf dem Milchmarkt.

Die Rohmilchpreise für die Landwirte seien in den vergangenen sieben Jahren stetig nach unten gegangen, sagte Helmut Born, Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes. "Wir sind bei den Preisen noch nicht einmal da, wo wir Ende der 90er Jahre waren", betonte er. Vor diesem Hintergrund sei die aktuelle Preisentwicklung fair und korrekt. Trotzdem klagen die Bauern, vom Preisanstieg kaum etwas abzukriegen.

Über Jahre sei es für Landwirte nicht möglich gewesen, kostendeckend Milch zu liefern, sagte Verbandsprecherin Agnes Scharl. Es koste mehr als 30 Cent, einen Liter Milch zu erzeugen. Bislang hätten die Bauern von den Molkereien im Schnitt 27 Cent bekommen - nun gebe es zwischen 28 und 33 Cent. Auch das sei noch zu wenig. "Die Bauern müssen mehr vom Kuchen abkriegen", meinte Scharl. Sie fragt sich, wo die saftigen Preisaufschläge bleiben. "Es muss untersucht werden, wer das Geld einsteckt", sagte Scharl. Das Bundeskartellamt hat angekündigt, die Preisanhebung unter die Lupe zu nehmen, während Politiker bereits Handel und Molkereien verdächtigen, am meisten von der Preiserhöhung zu profitieren.

"Bei der Politik ist es blanker Populismus, auf den Handel zu schimpfen", entgegnete Hubertus Pellengahr, Sprecher des Hauptverbandes des Deutschen Einzelhandels (HDE). Die Politiker hätten die Preisanhebung "durch verfehlte Agrarpolitik" zum Großteil selbst verschuldet. "Fakt ist, dass der Handel die höheren Preise an die Molkereien zahlen muss", sagte er. Die Gewinnmargen der Händler verbesserten sich durch den Preisanstieg nicht.

Die Kritik der Politiker wollen auch die Molkereien nicht annehmen. "Alles was wir an Überschüssen erwirtschaften, geht an die Bauern - über den Milchpreis", sagte Godja Sönnichsen, Sprecherin der Molkerei Nordmilch, die wie viele andere genossenschaftlich organisiert ist. Die Erzeugerpreise seien bereits erhöht worden. Wenn der Markt es hergebe, werde der Preis weiter nach oben gehen.

Von dem Verbraucherpreis bleibe nicht viel, um es aufzuteilen, sagte Eckhard Heuser, Geschäftsführer des Milchindustrie-Verbandes. Bei einem Ladenpreis von 62 Cent für einen Liter Milch blieben abzüglich des Geldes für die Landwirte und der Mehrwertsteuer rund 26 Cent für den Handel und die Molkereien, rechnete Heuser vor. Davon müssten Transport, Kühlung, Verarbeitung, Verpackung, Lagerung, Verkauf bezahlt werden. "Und ich glaube nicht, dass das zu viel ist." Die Forderungen des Bauernverbandes sind Heuser nicht neu: "Das ist wie bei einer Gewerkschaft, die wollen immer mehr."