Ein Jahr nach der historischen Wahl im Kongo geht es vor allem im Osten des Landes bergab

Enttäuschte Friedenshoffnung

Vor einem Jahr setzten die Menschen in der Stadt Goma große Hoffnung in die Zukunft - die ersten demokratischen Wahlen im Kongo seit 40 Jahren sollten den Frieden voranbringen. Präsident Joseph Kabila, der hier fast hundert Prozent der Stimmen erhielt, erklärte die Stabilisierung des Ostkongo zu seiner höchsten Priorität. Doch auf Frieden warten die Menschen im Osten des Landes, wo zwischen 1998 und 2003 bis zu drei Millionen Menschen im Bürgerkrieg starben, bislang vergeblich.

 (DR)

Stattdessen mehren sich Berichte, dass Rebellenführer Laurent Nkunda einen Angriff auf Goma plant. "Es gibt einen Aufbau bewaffneter Kräfte auf beiden Seiten", bestätigt der Chef der UN-Friedensoperationen, Jean-Marie Guehenno. Die Armee von Laurent Nkunda sei die derzeit größte Gefahr für die Stabilität im Kongo. In den Dörfern nördlich von Goma toben die Kämpfe bereits so heftig wie lange nicht mehr. 165.000 Kongolesen, so schätzen die UN, sind dort seit Jahresanfang auf der Flucht.

Bisher kehrten die Vertriebenen - die meisten von ihnen Subsistenzfarmer - schnell wieder in ihre Heimatdörfer zurück. Doch diesmal machen Mitarbeiter von Hilfswerken eine bedrohliche Tendenz aus: Die Flüchtlinge richten sich in den Lagern ein. Lucille etwa hat ihren Mann und ihren Sohn bei einem Angriff der Rebellen im Mai verloren. "Ich habe mindestens hundert Leichen gezählt, und viele mehr haben sie einfach in die Brunnen geworfen." Zurückkehren in ihr Dorf will sie nicht.

Nkunda hat im Bürgerkrieg für die einst mächtige "Sammlungsbewegung für ein demokratisches Kongo" (RCD Goma) gekämpft. Jetzt, wo Kabila und Ruandas Präsident Paul Kagame sich angenähert haben, sammeln sich um Nkunda selbst einstige Erzfeinde, die wegen ihrer Kriegsverbrechen Angst vor Strafverfolgung haben.

Doch es ist nicht nur Nkunda, der die Bewohner rund um den Kivu-See zittern lässt. Kongos Armee sei der Menschenrechtsverletzer Nummer eins im Kongo, kritisiert François Grignon, Afrika-Direktor der Friedensorganisation "International Crisis Group". Selbst der niedrige Sold von weniger als einem Euro am Tag werde oft nicht ausgezahlt, also nähmen sich die Soldaten mit Gewalt, was sie bräuchten. "Wenn Kabilas Regierung nicht ihr Versprechen wahr macht, den Kongo von Grund auf zu verändern, verliert sie ihr letztes bisschen Autorität."

Noch sind 17.000 Soldaten der UN-Mission MONUC im Kongo stationiert, es ist der größte Einsatz dieser Art weltweit. Seit der Wahl sind MONUC und kongolesische Armee gemeinsam im Einsatz, um die Rebellen zu besiegen. Doch der Anreiz der Rebellen, im Kampf gegen MONUC und Regierungsarmee ihr Leben zu riskieren, ist groß. Gold, Diamanten, Kupfer oder Coltan liegen im Ostkongo buchstäblich zum Greifen nah unter der Erdoberfläche. Nach Jahrzehnten der Anarchie im Osten kontrollieren Banden in vielen Orten auch jetzt noch den lukrativen Schmuggel der oft von Kindern im Tagebau abgebauten Rohstoffe.
Während die Stimmung im Ostkongo immer düsterer wird, schüchtert die Regierung Kabila vor allem ihre Kritiker ein. Mehrmals in der Wochen melden die Menschenrechtler von "Journaliste en Danger" in Kinshasa neue Verhaftungen von kritischen Reportern. Dass Oppositionsführer Jean-Pierre Bemba aus Angst um sein Leben in Portugal untergetaucht ist, kritisieren selbst diejenigen, die den unterlegenen Präsidentschaftskandidaten nicht schätzen. Crisis-Group-Experte Grignon warnt bereits vor ersten Anzeichen eines autoritären Regimes im Kongo.