Sektenbeauftragter fordert im domradio ein Scientology-Verbot

"Tom Cruise ist kein Anhänger, sondern Täter!"

Pfarrer Thomas Gandow, Beauftragter für Sekten- und Weltanschauungsfragen der evangelischen Kirche, hat sich im domradio-Interview für ein Verbot der Scientology-Sekte ausgesprochen. Nach seinem Vergleich von US-Schauspieler Tom Cruise mit Joseph Goebbels setzte er noch einmal nach: "Tom Cruise ist kein Anhänger, sondern Täter!" Der Schauspieler sei sogar einer der Anführer der Sekte und hetze gegen die Psychiatrie. Scientology habe das Ziel, 2,5% der Bevölkerung, Psychiater und Kritiker zu vernichten.

 (DR)

Gandow: "Das ist kein Spaß, sondern konkrete Zielsetzung und für so eine Organisation tritt Cruise ein." Auf die Kritik des deutschen Regisseurs Dieter Wedel, Gandows Aussagen seien gefährlich für Deutschland als Filmstandort, sagte der Pfarrer, wenn Scientology erst einmal an der Macht sei, sei es aus mit Wedels Filmemacherei. Mit Argumenten wie „Standort, Arbeitsplätze, Autobahn" sei schon einmal Politik gemacht worden.

Auch die geringe Mitgliederzahl von etwa sechstausend ist für Gandow kein Grund, den Einfluss der Sekte herunter zu spielen. Gandow: „Die NPD hatte noch weniger Mitglieder."

Pfarrer Thomas Gandow hatte vergangene Woche den amerikanischen Schauspieler und Scientologen Tom Cruise als „Goebbels von Scientology" bezeichnet. Hintergrund sind dessen Dreharbeiten in Berlin zu seinem Stauffenberg-Film.

Die Scientology-Organisation in Berlin hatte daraufhin den Rücktritt Gandows gefordert. Gandow erinnere eher an einen Hassprediger als an einen christlichen Gottesmann, erklärte Scientology-Sprecherin Sabine Weber am Donnerstag in Berlin.

Mit Blick auf die Scientology-Organisation gehörten Schlagwörter wie "Gehirnwäsche", Hypnose, Zwang, Ausbeutung, Abhängigkeit zu den gängigen Begriffen des Geistlichen. Für seine Anschuldigungen benenne er zweifelhafte Zeugen, so Weber. Der Vergleich des Stauffenberg-Darstellers und Scientology-Mitglieds Tom Cruise mit NS-Propagandaminister Joseph Goebbels zeige einmal mehr, dass Gandow jeden Bezug zur Realität verloren habe.

Auch scharfe Worte der Bundesregierung gegen Scientology
Scientology sei "keine Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft". Fernziel sei eine "von ihr beherrschte Gesellschaftsordnung". Mit deutlichen Worten hat die Bundesregierung am Freitag ihre kritische Bewertung der umstrittenen Organisation betont. Wieder einmal.

Denn seit der Eröffnung der auch schon vom Vorzeige-Scientologen Tom Cruise besuchten Hauptstadt-Repräsentanz im Berliner Bezirk Charlottenburg befasst sich nicht nur der Berliner Senat, sondern auch die bundespolitische Ebene verstärkt mit der "Scientology-Organisation" (SO), wie es meist heißt. So wird die Eigenbezeichnung "Kirche" ebenso wie der Begriff Sekte umgangen.

Am Freitag nahm das Bundesinnenministerium Stellung. Anlass dazu waren am Vortag geäußerte Vorwürfe der SO-Sprecherin Sabine Weber: Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) halte bezüglich der Bewertung von SO an "längst widerlegten Phrasen und Plattheiten" fest. Webers Kritik war übrigens eine von zumindest drei SO-Mails des Donnerstags an Berliner Redaktionen.

Hintergrund der jüngsten Kontroverse mit Schäuble ist eine beim Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster anhängige Berufung gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts (VG) Köln. Die dortigen Richter hatten 2004 die von der Innenministerkonferenz beschlossene bundesweite Überwachung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz als rechtmäßig eingestuft. Dagegen wehrt sich Scientology weiter juristisch. Für eine Entscheidung, so ein OVG-Sprecher am Freitag, sei ein Termin nicht abzusehen.

Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages hat in einer im Januar vorgelegten Expertise zum Thema "Rechtliche Fragen zu Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften" darauf hingewiesen, dass Scientology zwischen 2001 und 2005 in mindestens 11 der 16 Länder von Verfassungsschützern beobachtet worden sei; 2005 seien es 7 Länder gewesen. SO-Sprecherin Weber verweist demgegenüber auf die Urteile der Verwaltungs- beziehungsweise Oberverwaltungsgerichte Berlins und des Saarlands, die 2001 und 2005 die Beobachtung der SO durch die Schlapphüte untersagten.

Damit zu rechnen ist, dass es in Berlin im nächsten Jahr zur neuen Kontroverse kommt. Denn offensichtlich beobachten die dortigen Verfassungsschützer nach vierjähriger Pause die Organisation wieder. Offiziell bestätigt wird das nicht, wohl um eine mögliche Klage im laufenden Jahr zu verhindern.

Immerhin verwendete das Bundesinnenministerium am Freitag eine Formulierung, die sich so oder ähnlich zuletzt mehrfach in den Berichten des Verfassungsschutzes auf Bundesebene fand: Es gebe "tatsächliche Anhaltspunkte" dafür, dass die Organisation Bestrebungen verfolge, die "gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind".

Hinter den diversen juristischen Auseinandersetzungen steht stets die Frage, ob Scientology als "Kirche", Religions- oder "Weltanschauungsgemeinschaft" zu bezeichnen ist. Das Bundesarbeitsgericht, so die Bundestags-Experten, lehnte das 1995 ab und ließ es 2003 bei einer weiteren Entscheidung offen. Das Bundesverfassungs- und das Bundesverwaltungsgericht hätten diese Frage bislang unbeantwortet gelassen.

Vieles spricht dafür, dass Scientology mit der neuen Präsenz in Deutschland bei deutschen Gerichten vermehrt vorstellig werden wird. Zumindest eine Zielrichtung dabei ist klar benannt: "Die staatlichen Vertreter folgen den Forderungen der Amtskirchen und verfolgen nahezu alle religiösen Minderheiten", so Scientology-Sprecherin Weber.