Außenamt warnt vor Medienkrieg der Taliban - Militärbischof gegen Truppenabzug

"Zeremonienmeistern des Terrors" keine Chance geben

Das Auswärtige Amt hat zur Zurückhaltung im Umgang mit Stellungnahmen der Taliban aufgerufen und vor einem Medienkrieg gewarnt. Die Taliban nutzten konsequent und mit großer Energie die Entwicklung in Afghanistan, um eigenen Zielen Geltung zu verschaffen, sagte Sprecher Martin Jäger am Donnerstag in Berlin. Journalisten dürften dem nicht auf den Leim gehen. Im ARD-Morgenmagazin hatte Jäger zuvor von "Zeremonienmeistern des Terrors" gesprochen. Zu vermuten sei, dass sie sich wegen der bis zum Herbst andauernden Debatte um die Bundeswehr-Mandate jetzt gezielt Deutschland zuwendeten.

 (DR)

Das Propagandabüro der Taliban irgendwo im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet sei mit Mobilfunknummern und Mailkontakten sehr gut organisiert, so der Außenamts-Sprecher. Er erinnerte an die Spekulationen des vorigen Samstags über die angebliche Ermordung der beiden deutschen Geiseln. Ein Talibansprecher habe offenbar mit wenigen Anrufen in Kabul ganz Deutschland in Aufregung versetzt. "Das darf nicht sein. Das kann nicht sein", meinte Jäger. Die Bundesregierung sei dem massiv entgegengetreten. Demokratien seien zwar verwundbar, aber nicht wehrlos.

Unterdessen plädierte Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) in der "Süddeutschen Zeitung" erneut für eine Fortsetzung des Engagements in Afghanistan. Die Bundesregierung wolle "klaren Kurs halten", sagte sie. "Alles andere würde von Gewalttätern als Schwäche missverstanden werden." Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit konzentriere sich auf den Wiederaufbau der Infrastruktur und der Wirtschaft sowie die Ausbildung von Lehrern. Notwendig sei, den Menschen Einkommensalternativen zum Opiumanbau zu verschaffen.

Deutsche Hilfswerke setzen Programme in Afghanistan fort - Welthungerhilfe im domradio-Interview
Nach dem Tod einer deutschen Geisel in Afghanistan wird in Deutschland erneut diskutiert, ob Deutsche dem krisengeschüttelten Land überhaupt noch helfen können und sollen. Erinnerungen werden wach an die Debatte Anfang des Jahres, als ein Mitarbeiter der Deutschen Welthungerhilfe getötet wurde. domradio sprach nun mit der Hilfsorganisation. Sprecherin Marion Aberle: "Wir wollen dem Land auch weiterhin helfen." Auch andere Hilfswerke wollen bleiben.

"Unsere Arbeit läuft ganz normal weiter"
Die Hilfsorganisation beschloss im Mai einen Strategiewechsel bei ihren Programmen, nachdem im März und April und ein deutscher und ein afghanischer Mitarbeiter getötet worden waren. Die Welthungerhilfe ist seit 1980 in Afghanistan tätig, wo sie vor allem ländliche Entwicklung unterstützt.

"Unsere Arbeit läuft ganz normal weiter", sagte Hans Stehling, Pressesprecher der staatlichen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) am Montag dem epd. An einen Abzug der rund 35 deutschen GTZ-Mitarbeiter aus Afghanistan sei derzeit nicht gedacht.

Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) hatte bereits am Sonntag erklärt, dass es trotz der Entführung zweier Deutscher keinen Stopp der Entwicklungsprojekte in Afghanistan geben werde. Nach Angaben des Ministeriums sind in Afghanistan rund 120 Deutsche in Projekten tätig, die von der Bundesregierung gefördert werden. Insgesamt sei die Zahl deutscher Entwicklungshelfer noch höher.

Die Kindernothilfe erklärte, besonders die Lage von Kindern, Säuglingen und jungen Müttern in Afghanistan sei dramatisch. Nach UN-Angaben kämen 257 von 1.000 Kindern unter fünf Jahren ums Leben, 165 von 1.000 Säuglingen stürben vor ihrem ersten Geburtstag. Damit sei die Säuglingssterblichkeit in Afghanistan die höchste weltweit.Die Kindernothilfe werde daher ihre Unterstützung von Kliniken und Selbsthilfegruppen von Frauen fortsetzen.

"Nicht einfach"
Für Caritas international sind noch zwei deutsche Mitarbeiter in Afghanistan tätig. Laut Pressesprecher Achim Reinke sind die Sicherheitsvorkehrungen bereits in den vergangenen Monaten verstärkt worden. Es gebe keine Überlandfahrten mit dem Auto mehr. Die Deutschen würden zudem immer von afghanischen Mitarbeitern begleitet, die die kulturellen Gegebenheiten kennen. Caritas unterstützt vor allem traumatisierte Kinder und hilft beim Bau von Brunnen und Straßen.

Rudi Tarneden, Sprecher des UN-Kinderhilfswerks UNICEF, betonte, dass die Arbeit in Afghanistan "nicht einfach" sei. Auch die Übergriffe auf Helfer hätten seit Anfang des Jahres zugenommen. "Immer, wenn bei Kämpfen zivile Opfer zu beklagen sind, steigt die Gefährdung von internationalen Mitarbeitern", erläuterte Tarneden. In den ersten vier Monaten dieses Jahres seien bei den Kämpfen in Afghanistan nach UN-Angaben rund 380 Menschen getötet worden. UNICEF engagiert sich in Afghanistan in der Schulbildung und der Gesundheitsversorgung von Kindern.