SPD und Union machen sich gegenseitig Vorwürfe

Sicherheitsdebatte stört Koalitionsfrieden

Die Auseinandersetzung um die innere Sicherheit wächst sich immer mehr zur Belastung für die große Koalition aus. Ein prominenter SPD-Politiker warnte, der Konflikt um die Innere Sicherheit schaffe wechselseitig schwindendes Vertrauen unter den Partnern. Und auch aus den eigenen Reihen hagelt es heftige Kritik. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble rief seine Kritiker unterdesen zu mehr Fairness auf.

 (DR)


Wulff: Die Menschenwürde ist unverletzlich
Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) nannte die von Schäuble angestoßene Diskussion über eine gezielte Tötung Terrorverdächtiger unverantwortlich. Wulff sagte: "Das gezielte Töten von wem auch immer ist mit unserem Rechtsstaat nicht Vereinbar". Die Menschenwürde sei unverletzlich. "An diesem Grundsatz halten wir Fest", betonte er.

Es spreche aber nichts dagegen, mögliche Attentäter einige Tage in Gewahrsam zu nehmen, wenn es konkrete Hinweise auf Attentatsserien gebe. Das sei während der Fußball-Weltmeisterschaft bereits bei Hooligans praktiziert worden. Angesprochen auf die Kritik des Bundespräsidenten an dem Schäuble-Vorstoß sagte Wulff: "Mir wäre es lieber gewesen, wir hätten das Thema vorher innerhalb der CDU anhand einer ausformulierten Vorlage von Wolfgang Schäuble diskutieren können."

Bosbach: Ernsthafte Koalitionskrise droht
Der SPD-Innenpolitiker Dieter Wiefelspütz sagte am Montag, er frage sich, "wie wir bei dieser Ausgangslage noch vertrauensvoll zusammenarbeiten sollen". Schäuble sei inzwischen eine große Belastung für die Koalition. Jetzt habe er für seine jüngsten Vorstöße zur Terrorismusbekämpfung selbst von Bundespräsident Horst Köhler die Rote Karte bekommen. Dass Köhler so unmissverständlich gegen Schäubles Vorschläge interveniert habe, sei ein extrem ungewöhnlicher Vorgang.

Unions-Innenexperte Wolfgang Bosbach (CDU) warnte, der Streit über die Innere Sicherheit könne zu einer ernsthaften Koalitionskrise werden. Er warf der SPD vor, sie habe in der Innenpolitik Abschied genommen von einer Politik, wie sie der frühere Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) sie vertreten habe. Vor allem das SPD-geführte Bundesjustizministerium streue immer wieder "Sand ins Getriebe".

FDP-Generalsekretär Dirk Niebel sagte: "Schäuble soll unsere Freiheitsrechte gegen den Terror verteidigen, statt sie ihm zum Fraß vorzuwerfen." Nach derselben Methode, mit der der Minister jede kleinste Abweichung von seinem eigenen Gesellschaftsbild zur akuten Terrorgefahr erklären wolle, sei US-Präsident George W. Bush in den Irak gezogen. Niebel forderte dagegen, die Polizei technisch und personell besser auszustatten.

Schäuble verteidigt sich
Schäuble sagte, jetzt werde eine offene Debatte ohne Tabus gebraucht. Die terroristische Bedrohung sei ernst, daher bräuchten die Sicherheitsbehörden entsprechende Handlungsmöglichkeiten zur Gefahrenabwehr. Diese müssten eindeutig auf der Grundlage von Verfassung und Recht stehen.

Zugleich widersprach Schäuble der Kritik, er wolle immer neue Anti-Terror-Gesetze einführen, um beispielsweise Handy- und Internetnutzung durch so genannte Gefährder einzuschränken. Die Möglichkeiten dazu seien bereits im Aufenthaltsrecht geregelt.