Innenminister Schäuble steht mit seinen Vorschlägen für den Anti-Terrorkampf ziemlich allein

Schäuble ein Amokläufer?

Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) erntet mit seinen Überlegungen zum Kampf gegen den Terror Unverständnis und Ablehnung. SPD-Fraktionschef Peter Struck sagte, er fühle sich durch den Vorschlag für das gezielte Töten von Terroristen an Amokläufer erinnert. Die frühere Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) warf Schäuble vor, er wolle politischen Mord legalisieren.

 (DR)

SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz sagte, der Minister führe eine Scheindebatte zu Beginn der Sommerpause. Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) warnte vor Hysterie in der Diskussion. Der Deutsche Anwaltverein (DAV) diagnostizierte bei Schäuble Züge der Hilf- und Machtlosigkeit.

Struck sagte, Schäubles Vorschlag zur gezielten Tötung von Terroristen sei "absolut inakzeptabel". Das könne Schäuble nicht ernst gemeint haben. Die SPD wolle in Deutschland keinen Überwachungsstaat haben und werde bei solchen Plänen nicht mitgehen.

Wiefelspütz sagte, Schäubles Vorstoß sei ein typisches Interview zu Beginn der Sommerpause und kaum ernst zu nehmen. "Viel heiße Luft, aber nichts wird draus", urteilte Wiefelspütz. Schäuble isoliere sich mit seinem Vorstoß selbst. Der Vorschlag des Ministers gleiche der Idee, den Straßenverkehr zu verbieten, um tödliche Unfälle zu verhindern. Wer Freiheit wolle, müsse ein "Restrisiko" in Kauf nehmen.

Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) betonte, sie halte die Gesetzeslage in Deutschland für ausreichend, sehe aber Handlungsbedarf beim Vollzug. Es gebe zu wenig Beamte und zu wenig Fachpersonal.

Beckstein sagte, die Tötung von Terrorverdächtigen in Deutschland sei völlig inakzeptabel. Dies habe Schäuble aber sicher nicht gefordert, denn er sei ein "massiver Verfechter des Rechtsstaats". Gleichzeitig werfe Schäuble existenzielle Fragen auf. Seine Anregungen sollten sorgfältig geprüft werden.

Der CDU-Innenpolitiker Ralf Göbel sagte: "Wir brauchen keine Lizenz zum Töten auf Verdacht." Die Regelung in den Polizeigesetzen der Länder, wonach Täter nur zur Abwehr einer unmittelbaren Lebensgefahr mit einem so genannten finalen Rettungsschuss getötet werden dürfen, werde die Voraussetzung bleiben. Es sei sorgfältig verfassungsrechtlich zu prüfen, ob so genannte Gefährder analog zum Unterbindungsgewahrsam für Hooligans über Monate weggesperrt werden könnten. "Grundsätzlich müssen wir uns ein paar Dinge überlegen, wie wir diejenigen, die wir als Gefährder erkannt haben, so überwachen, dass wir wissen, was sie tun", sagte Göbel.

DAV-Vorstandsmitglied Ulrich Schellenberg sagte: "Schäuble stellt sich mit den Vorschlägen außerhalb der Verfassung." Es sei auffallend, dass Schäubles Forderungen an Radikalität zunähmen. "Aufgabe des Ministers ist es, die Sicherheit mit der Verfassung und nicht gegen die Verfassung zu gewährleisten", sagte Schellenberg. Dazu müsse Schäuble einen kühlen Kopf bewahren, sonst werde es schwer, seine Funktion in Zukunft verantwortlich auszuführen.