Nach Pannen in Atomkraftwerken: SPD-Bundestagsabgeordneter Hermann Scheer fordert im domradio Konsequenzen

"Die Dunkelziffer ist riesig"

Nach der Pannenserie in den Atomkraftwerken Brunsbüttel und Krümmel reißt die Kritik an Betreiber Vattenfall nicht ab. Umweltschützer und Politik Reaktorbehörde stellen die Zuverlässigkeit des Energiekonzerns in Frage. Der SPD-Politiker Hermann Scheer rechnet mit einer hohen Dunkelziffer nicht gemeldeter Unfälle. Im domradio-Interview warnt er vor den Folgen. Und fordert Konsequenzen.

 (DR)

Aufsichtsbehörde hegt Zweifel an Zuverlässigkeit von Vattenfall
Die zustädndige schleswig-holsteinische Ministerin Gitta Trauernicht (SPD) habe nach einem Gespräch mit einem Rechtsanwalt entschieden, die "zum Vattenfall-Konzern gehörenden Kernkraftwerksbetreibergesellschaften" einer Prüfung zu unterziehen, teilte ein Ministeriumssprecher am Montag in Kiel mit.

Demnach schließt Trauernicht auch einen Entzug der Betriebserlaubnis nicht mehr aus. "Wenn die rechtliche Prüfung zu diesem Ergebnis kommt, dann würde ich keinesfalls zögern, dieses zu tun", sagte Trauernicht dem Sender NDR Info.

Offenbar zweifelt die Aufsichtsbehörde sowohl an der Zuverlässigkeit des Betreibers als auch an der erforderlichen Fachkunde des Leitungs- und Betriebspersonal, "um einen sicheren Betrieb der Anlage und die korrekte Anwendung der Schutzmaßnahmen zu gewähren". Hintergrund der Prüfung sei der "Umgang des Vattenfall-Personals mit den jüngsten Ereignissen in den Kernkraftwerken Brunsbüttel und Krümmel", wie der Sprecher weiter mitteilte.

Die Reaktoraufsichtsbehörde erst am Freitag informiert
Offenbar durch Fehlbedienungen des Personals kam es nach Angaben des Kieler Sozialministeriums gleich zwei Mal zu Absperrungen im Reaktorwasserreinigungssystem. Die Reaktoraufsichtsbehörde war von Vattenfall erst am Freitag über das meldepflichtige Ereignis informiert worden.

Nach Angaben des Sozialministeriums hatte ein Mitarbeiter der Aufsichtsbehörde am vergangenen Montag bei der Werksleitung in Brunsbüttel nachgefragt, ob es beim Wiederanfahren zu besonderen Vorkommnissen gekommen sei. Dies sei vom stellvertretenden Werksleiter verneint worden.

Greenpeace: Das Kraftwerk muss abgeschaltet bleiben
Nach Berechnungen für Greenpeace hat Vattenfall das Personal im AKW Krümmel zwischen 1996 und 2005 um rund zwölf Prozent abgebaut. Darüber hinaus wurde 2006 die Leistung des Kraftwerks um rund sieben Prozent erhöht.

"Die Öffentlichkeit kann da mit Recht fragen, ob dem Betreiber der Profit über die Sicherheit seiner Atomanlagen geht", sagt Thomas Breuer, Atomexperte bei Greenpeace. "Das Kraftwerk in Krümmel muss abgeschaltet bleiben. Atomkraftwerke sind zu komplex, um sicher betrieben werden zu können."

Aufarbeitung der Vorfälle geht weiter
Unterdessen geht die Aufarbeitung der Vorfälle im AKW Krümmel weiter. Am Samstag hatte das Ministerium Vertreter von Vattenfall einbestellt. In dem Gespräch ging es insbesondere um Dioxinspuren in Luftfiltern des AKW.

In dem bundesaufsichtlichen Gespräch am Montag in Kiel zwischen Vertretern des Kieler Sozialministeriums, des Bundesumweltministeriums, des Betreibers und Sachverständigen steht der detaillierte Ablauf der Schnellabschaltung von Krümmel im Mittelpunkt. Außerdem geht es in dem Gespräch am Montag um die Rolle der Stromnetze bei den Schnellabschaltungen in Brunsbüttel und Krümmel.

In drei Wochen drei Wochen wieder ans Netz?
Das AKW Krümmel soll nach dem Willen des Unternehmens frühestens in drei Wochen mit halber Leistung ans Netz gehen. So viel Zeit nähmen die Aufräumarbeiten und Überprüfungen der Anlage in Anspruch, sagte Vattenfall-Sprecher Ivo Banek. Vattenfall-Geschäftsführer Bruno Thomauske hatte am Freitag erklärt, der Wechsel des abgebrannten Trafos werde voraussichtlich weitere sechs Wochen in Anspruch nehmen.

Am 28. Juni waren die beiden AKW Brunsbüttel und Krümmel nach Vorfällen abgeschaltet worden. Zunächst hatte es in Brunsbüttel einen Kurzschluss gegeben. Dabei kam es zu einem Schwelbrand an der Turbine. Eine Stunde und 40 Minuten später brach auf dem Gelände des AKW Krümmel in einem Transformatorgebäude ein Feuer aus.