Bundesrat stimmt Zuwanderungsrecht trotz Kritik zu - Kritiker appellieren an Köhler

"Zukunftsweisende Reform" oder "Abschottung"?

Der Bundesrat hat die Novellierung des Zuwanderungsrechts gebilligt. Die Länderkammer stimmte am Freitag mit Mehrheit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zu. In einer Entschließung forderte die Länderkammer zugleich Erleichterungen für eine gezielte Zuwanderung qualifizierter Fachkräfte. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) sprach im Anschluss von einer "zukunftsweisenden Reform". Migranten- und Ausländervertreter sprechen von "Doppelzüngigkeit" und fordern den Bundespräsidenten auf, das Gesetz nicht zu unterschreiben.

 (DR)

Die Reformen förderten friedliche Zusammenleben in Deutschland und fördere die Eingliederung von Zuwanderern, sagte Schäuble am Freitag. Zugleich verwies er auf den nationalen Integrationsplan, den Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Donnerstag beim zweiten "Integrationsgipfel" der Regierung vorstellen will.

"Köhler soll Zuwanderungsgesetz stoppen" - Türkische Migranten erwägen Boykott des Integrationsgipfel
Nach der Verabschiedung des neuen Ausländergesetzes haben türkische Migrantenorganisationen in Deutschland erneut ihre Teilnahme am Integrationsgipfel der Bundesregierung in Frage gestellt. Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde, Kenan Kolat, sagte, man werde die Frage eines Boykotts "am Wochenende mit anderen Verbänden beraten" und am Dienstag eine Entscheidung bekannt geben. Zugleich forderte er Bundespräsident Horst Köhler auf, "das zweifellos verfassungswidrige Gesetz an den Bundestag zurückzuweisen".

Die Kritik der Verbände richtet sich gegen einzelne Regelungen des neuen Ausländergesetzes. Es sieht unter anderem vor, dass zum Schutz vor Zwangsehen nachziehende Ehepartner künftig mindestens 18 Jahre alt sein und vor der Einreise einfache Sprachkenntnisse nachweisen müssen.

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU), und die türkischstämmige Soziologin Necla Kelek wiesen die Vorwürfe als unberechtigt zurück. Böhmer betonte: "Hier werden Ängste geschürt, die nicht gerechtfertigt sind." Kelek sagte, die gesetzliche Maßnahme richte sich darauf, "den leidigen Tatbestand der 'Importbräute' zumindest einzudämmen".

Kolat wollte sich unterdessen nicht endgültig festlegen, ob die türkischen Migrantenverbände den für Donnerstag geplanten Integrationsgipfel boykottieren wollten. "Es wird einen Protest geben. Die Form ist noch nicht klar." Er kritisierte, "dass Deutsche mit dem Namen Hans oder Helga" ihren Ehepartner ohne Auflagen "aus dem Senegal nachziehen lassen" dürften, während für Menschen türkischer Herkunft gelte, dass der Ehepartner Sprachkenntnisse vorweisen müsse.

"Dies ist ein Affront gegenüber der Türkei und der türkischen Bevölkerung", so Kolat. Das Gesetz sei "ethnisch-diskriminierend". Die Türkische Gemeinde werde eine Klage gegen das Zuwanderungsgesetz unterstützen, falls der Bundespräsident sich nicht davon überzeugen lasse, dass es gestoppt werden müsse.

Die Integrationsbeauftragte Böhmer nannte es hingegen "eine schiere Selbstverständlichkeit, dass man Grundkenntnisse in der deutschen Sprache erwirbt". Sprachkenntnisse seien keine Hürde, sondern eine Hilfe. Böhmer appellierte an alle Muslime, "sich nicht auszuklinken".

Die Soziologin Kelek betonte, "gerade der Zwang zur (frühen) Heirat und die völlige Abhängigkeit junger Frauen aus Anatolien von den Familien ihrer meist in Deutschland geborenen Männer, die völlige Unkenntnis der Sprache und Kultur ihrer neuen Heimat haben in den vergangenen Jahren zum weitgehenden Scheitern der Integration und zur Zuwanderung in die Sozialsysteme geführt". Die Folge seien "Segregation und Schulversagen der Migrantenkinder".

Der Vorsitzende des Bundesausländerbeirates, Memet Kilic, hatte am Donnerstag zum Verzicht auf die Teilnahme am Integrationsgipfel nächste Woche aufgerufen. Auch der Direktor des Zentrums für Türkeistudien (ZfT), Faruk Sen, stellte den Sinn des Treffens in Frage. Die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (Ditib) wollte am Freitag beschließen, ob sie zum Integrationsgipfel der Bundesregierung kommt.