Karlsruhe: Abgeordnete müssen Nebeneinkünfte offenlegen

Jetzt geht´s ans Eingemachte

Bundestagsabgeordnete müssen ihre Nebeneinkünfte umfassend und detailliert offenlegen. Das hat das Bundesverfassungsgericht am Mittwoch entschieden. Die Karlsruher Richter wiesen die Klage von neun Bundestagsabgeordneten gegen die verschärfte Transparenzregelung im Abgeordnetengesetz zurück. Geklagt hatten u.a. der ehemalige Unions-Fraktionschef Friedrich Merz (CDU) und die CDU-Parlamentarier Siegfried Kauder und Marco Wanderwitz.

 (DR)

Der achtköpfige Zweite Senat entschied mit einem Patt von vier zu vier Richterstimmen. Die Anträge der neun Abgeordneten hatten damit im Ergebnis keinen Erfolg. Gerichtsvizepräsident Winfried Hassemer räumte ein: "Wir waren uns nicht einig." Das Gericht habe über ein "fundamentales Problem" entscheiden müssen. Es gehe "um den modernen Parlamentarismus und um die Stellung der Abgeordneten".

Die vier Richter, die die Klagen für unbegründet hielten und damit letztlich die Entscheidung tragen, argumentierten vor allem mit den Interessen der Wähler. "Das Volk hat Anspruch darauf zu wissen, von wem - und in welcher Größenordnung - seine Vertreter Geld oder geldwerte Leistungen entgegennehmen", heißt es in dem Urteil.

Nach dem seit Oktober 2005 geltenden neuen Verhaltenskodex müssen berufliche Tätigkeiten neben dem Abgeordnetenmandat samt den daraus bezogenen Einkünften dem Bundestagspräsidenten gemeldet werden, wenn sie 1000 Euro im Monat oder 10 000 Euro im Jahr überschreiten. Veröffentlicht werden sollen die einzelnen Nebeneinkünfte als Einordnung in drei Gruppen: 1000 bis 3500 Euro, 3500 bis 7000 Euro oder darüber.

Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) hatte bislang unter Verweis auf das Karlsruher Verfahren die ihm mitgeteilten Informationen der Abgeordneten über Nebentätigkeiten noch nicht veröffentlicht.

"Weichenstellung" nicht nur für neun klagende Abgeordnete
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts war vom Gericht als Grundsatzurteil angekündigt worden. Es gehe um eine "Weichenstellung zwischen der Freiheit des Abgeordneten und der Durchsichtigkeit seiner Tätigkeit vor der Öffentlichkeit", sagte Gerichtsvizepräsident Winfried Hassemer in der mündlichen Verhandlung vom Oktober 2006.

Eine persönliche Weichenstellung könnte das Urteil auch für die neun Kläger bedeuten. Dabei handelt es sich um den ehemaligen Unions-Fraktionschef Friedrich Merz (CDU), die CDU-Parlamentarier Siegfried Kauder und Marco Wanderwitz, die CSU-Politiker Max Straubinger und Wolfgang Götzer, die FDP-Abgeordneten Heinrich Kolb, Sibylle Laurischk und Hans-Joachim Otto sowie den SPD-Parlamentarier Peter Danckert. Sie üben neben ihrer Abgeordnetentätigkeit den Beruf des Rechtsanwalts, Wirtschaftsingenieurs, Unternehmers beziehungsweise Handelsvertreters aus.

Wanderwitz hat bereits angekündigt, im Falle einer Niederlage seinen Rückzug aus der Politik zum Ende der Wahlperiode nicht auszuschließen. Der "Bild"-Zeitung (Dienstagausgabe) sagte Wanderwitz: "Wie es weitergeht, weiß ich noch nicht - jetzt muss ich erst einmal das Urteil lesen." In der laufenden Legislaturperiode wolle er sein Mandat jedoch nicht niederlegen, so Wanderwitz.

Merz, der seit 1986 als Rechtsanwalt arbeitet, hatte bei der Karlsruher Anhörung die verschärfte Transparenzregelung als "absurd" kritisiert. Die Bereitschaft von Freiberuflern und Selbstständigen, sich um ein Bundestagsmandat zu bewerben, würde dramatisch abnehmen. Die Entwicklung hin zu einem reinen Beamten- und Funktionärsparlament werde verstärkt. "Die Zahl der nicht mehr in einem bürgerlichen Beruf resozialisierungsfähigen Abgeordneten nimmt zu", sagte Merz.

Kolb, der Chef eines Familienunternehmens in der Metallverarbeitungs-Branche ist, sieht eine neben dem Mandat ausgeübte Berufstätigkeit als "die beste Garantie für eine Unabhängigkeit des Abgeordneten" an. Otto, der als Anwalt arbeitet, betonte, die "wahre Bedrohung" sei die ständig zunehmende Abhängigkeit der Abgeordneten von Parteien und Fraktionen.